Das größte Spiel eines kleinen Klubs

(c) APA/dpa/Marius Becker
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Erfolgsrezepte aus der Provinz: Der Wolfsberger AC sorgt zum Auftakt der Europa League für eine Sternstunde des österreichischen Fußballs, ein deutscher Topverein bleibt ratlos zurück.

Wien. Die Deutschen scheinen keine Gefahr mehr zu sein. Red Bull Salzburg hat zuletzt Borussia Dortmund, dann RB Leipzig aus dem Europacup verabschiedet, zwischendurch hat das Nationalteam die DFB-Auswahl – wenn auch nur freundschaftlich – 2:1 geschlagen. Und nun hat der Wolfsberger AC zum Auftakt der Europa League Borussia Mönchengladbach, immerhin Tabellenfünfter der vergangenen Saison der deutschen Bundesliga, mit 4:0 abgefertigt.

Was sich da im Borussia-Park abspielte, war schon einmalig. Der WAC siegte mit weniger als einem Drittel Ballbesitz, einer Passgenauigkeit von unterirdischen 59 Prozent und 18 begangenen Fouls. 41 Mal wurde vor dem eigenen Tor geklärt – es sind eigentlich die Zahlen eines Verlierers. Aber es gelang eben auch alles in dieser „magischen Nacht“ (WAC-Routinier Michael Liendl). Jeder Abpraller landete auf dem Fuß eines Wolfsbergers, und wenn es entscheidend wurde, kamen die Pässe plötzlich zentimetergenau an. So leicht gelingen Tore für gewöhnlich nicht einmal in der heimischen Bundesliga. Denn wenn es läuft, ist auch ein Goalie wie Yann Sommer keine Hürde, da mag sein Marktwert den des gesamten WAC-Kaders noch so überragen. (Tormann Alexander Kofler stand freilich auch immer genau richtig.)

Am Ende stand auf der einen Seite Österreichs höchster Europacup-Sieg über einen deutschen Klub überhaupt. Und auf der anderen ein „Grottenkick gegen den Ösi-Außenseiter“ („Bild“) und die höchste Heimniederlage der langen Gladbacher Europapokal-Historie.

Das rot-weiß-rote Erfolgsrezept war simpel: Eine eingespielte Truppe, für die die Europa League das Karriere-Highlight bedeutet, traf auf eine Mannschaft in der Findungsphase, mit neuem Trainer und neuem Spielsystem. Die Europa League ist in Gladbach nur ein Trostbewerb, zu lang war man in der deutschen Bundesliga auf Champions-League-Kurs gelegen.

Dass das WAC-Budget von sieben Mio. Euro dabei dem Brutto-gehalt eines Gladbacher Topprofis entspricht – geschenkt. Die Kärntner machten das Zentrum dicht, nahmen Rechtsaußen Stefan Lainer aus dem Spiel, und schon war das System des haushohen Favoriten dahin. „Für uns war das dann berechenbar“, erklärte WAC-Coach Gerhard Struber. Sein Gegenüber Marco Rose, einst Strubers Red-Bull-Kollege, meinte: „Wir haben gegen einen Gegner mit unglaublicher Intensität, Leidenschaft und Bereitschaft gespielt.“ All das hatte sein Team nicht.

So haben nach dem Europacup-Auftakt 2019/20 alle drei österreichischen Vertreter eine makellose Bilanz (Salzburg besiegte Genk 6:2, der Lask schlug Rosenborg Trondheim 1:0). Dieses Trio belegt nach sieben Runden der Bundesligasaison auch die Plätze eins bis drei. Bemerkenswert dabei: Im Frühjahr 2018 kämpfte der WAC noch gegen den Abstieg.

Landesliga-Methoden

Doch auch im achten Bundesliga-Jahr setzt WAC-Klubchef Dietmar Riegler auf dieselben schlanken Strukturen und Methoden wie noch in der Landesliga, verzichtet etwa auf einen hauptberuflichen Sportdirektor und lotste dennoch einen Goalgetter wie Shon Weissman (acht Saisontreffer) ins beschauliche Lavanttal.

Bevor nun AS Roma (4:0 über Istanbul Başakşehir) am 3. Oktober in Graz antritt, wartet auf den WAC am Sonntag der Ligaalltag. „Es geht nach Hartberg, falls ihr das kennt. Oststeiermark“, erklärte Doppeltorschütze Mario Leitgeb den deutschen Reportern im Borussia-Park. Dort gibt die Hartberg-Präsidentin anlässlich ihres 50. Geburtstages jedem Besucher ein Freigetränk aus. Zurück in der Fußballprovinz eben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2019)

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