Von Favoritensiegen, Außenseitern und klingelnden Kassen

(c) REUTERS (GLEB GARANICH)
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Für Wettanbieter war die EM kein Geschäft. Deutschland sieht dennoch Potenzial und will jede Sportwette – egal, ob deutscher oder ausländischer Anbieter – mit fünf Prozent besteuern.

Eine Fußball-EM bedeutet für Sportwettenanbieter den großen Zahltag. Ein WM-Jahr ist für Unternehmen wie bwin.party umsatzmäßig sogar eines mit quasi 13 oder 14 Monaten. Wie viel die Anbieter unter dem Strich tatsächlich verdienen, hängt allerdings immer davon ab, wie die Spiele ausgehen: Favoritensiege sind schlecht für die Buchmacher, Außenseitersiege lassen die Kassen klingeln.

Bei der EM in Polen und der Ukraine war ihnen das Glück nicht wirklich hold. Ausnahme war das Halbfinale zwischen Deutschland und Italien (1:2), denn es hatten nur wenige darauf getippt, dass die Azzurri die Elf von Joachim Löw aus dem Bewerb schießen.

Besonders bitter war dieses Resultat auch für einen deutschen Geschäftsmann. Er hatte 50.000 Euro auf den Turniersieg der Deutschen gewettet...

„Deutschland lässt keinen kalt“

„Tendenziell gab es mehr Favoritensiege als bei den Europa- und Weltmeisterschaften der letzten Jahre“, sagt Jürgen Irsigler, Chef der zum Novomatic-Konzern gehörenden Admiral Sportwetten. Bei Admiral liege der Rohertrag bislang hinter den Erwartungen. Immerhin setzten 80 bis 90 Prozent der Kunden auf Favoriten.

Dies bestätigte Online-Sportwettenanbieter bet-at-home. „Eine EM ist nicht zum Geldverdienen da“, sagt Vorstand Jochen Dickinger. „Zumal wir beträchtliche Investitionen ins Marketing tätigen.“ Knapp die Hälfte des jährlichen Marketingbudgets in Höhe von 45 Millionen Euro fließe in der Zeit rund um die EM. Bei Admiral sind es 35 bis 40 Prozent. Bei der Lotterientochter tipp3 bewegte sich das Umsatzniveau allerdings mit ca. 500.000 Wettscheinen im Bereich der Euro 2008 in Österreich und der Schweiz. „In geraden Jahren, in denen eine EM oder WM stattfindet, ist das Marketingbudget um ein Drittel höher“, erklärt Irsigler. Vorrangig gehe es darum, neue Kunden zu gewinnen, die ihr Geld auch über die EM hinaus für Sportwetten ausgeben.

Für das mit Abstand größte Interesse sorgte das Match Deutschland gegen Griechenland, das wegen der Schuldenkrise zusätzliche Brisanz in sich barg. „Das war das umsatzstärkste Spiel des Jahres und hat das Champions-League-Finale getoppt“, sagt Irsigler. Auch bei tipp3 und bet-at-home war das Viertelfinalspiel der größte Umsatzbringer. Auch deshalb, weil Österreicher Spiele der Deutschen besonders aufmerksam verfolgten. Irsigler: „Deutschland lässt niemanden kalt. Die einen lieben sie, die anderen hassen sie.“

Das Interesse am Nachbarn spürten die Anbieter deutlich. „Die drei stärksten Spiele waren alle mit deutscher Beteiligung“, sagt Irsigler. „Unsere Nachbarn spielen sehr guten Fußball und haben eine sympathische Mannschaft. Die sensationellen Leistungen der österreichischen Legionäre David Alaba, Martin Harnik und Christian Fuchs haben das Interesse am deutschen Fußball bereits im Vorfeld gestärkt“, weiß tipp3-Geschäftsführer Philip Newald.

Selbiges galt für die Finalisten Spanien und Italien, sie waren neben Deutschland laut bwin „hervorragende Mannschaften, die die Menschen dazu bewegen werden, Wetten abzugeben“, sagt Konzernsprecher John Sheperd. „Viele haben nicht unbedingt einen Bezug zur Mannschaft, sondern lieben einfach Fußball und schätzen den Unterhaltungswert einer Wette.“

Vorfreude des Finanzministers

Allzu risikofreudig sind die Österreicher beim „Zocken“ nicht. Pro Spiel wurden zehn bis 15 Euro auf den Favoriten gesetzt. In dieses Sortiment fiel auch der Tipp auf den EM-Gesamtsieger. Gesteigerte Umsätze wurden zudem bei Livewetten verzeichnet. bet-at-home hatte hier sein Angebot „massiv“ erweitert. Auch tipp3 steigerte mit der EM seinen Online- und damit den Livewettenanteil.

Im Internet wurde mit teils skurrilen Wetten und dementsprechend hohen Quoten um die Wetter gebuhlt. Wer schießt den Elfmeter, den nächsten Eckball oder wie viele Rote Karten werden ausgeteilt – die Palette ist endlos. bet-at-home riet Fußballfans, „nicht nur blindlings auf Favoriten zu wetten“, bei einem Außenseitersieg seien die Quoten schließlich höher. Dickinger: „Und, wie wir alle wissen, gewinnt nicht immer der Favorit.“

Bei den Anbietern beginnt nach der EM das Rennen um ein ganz anderes Großereignis. Es geht nicht um Olympia, sondern um 20 länderübergreifende Konzessionen. Darin enthalten ist auch der Zugang zum deutschen Markt. Mehrere Milliarden Euro könnten dort im Wettsegment umgesetzt werden, doch in vielen Bundesländern hängt der dafür nötige Gesetzesentwurf noch in der Schwebe. Er soll jedoch noch heuer angesichts ob der zu erwartenden Mehreinnahmen beschlossen werden. Pro Sportwette – egal, ob deutscher oder ausländischer Anbieter – sollen fünf Prozent an den Fiskus wandern. Dann wäre jedes noch so kleine Sportevent für den Finanzminister ein Jackpot.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2012)

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