EM-Tops und -Flops: Triumphe,Tränen und Täuschungen

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Tops Flops TriumpheTraenen Taeuschungen(c) REUTERS (EDDIE KEOGH)
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Italien bot attraktiven Fußball, es gab kaum Platzverweise, Altstars glänzten, Irlands Fans hielten durch, die Gruppenphase war spannend. Dafür patzten Torrichter, Oranje, Frankreich, Gastgeber und die Uefa.

Jedes Sportereignis findet Ausnahmekönner und Überraschungen, aber auch Enttäuschungen. Im Vorfeld zur Fußball-EM 2012 in Polen und der Ukraine ließen politische Diskussionen um den Fall Julia Timoschenko den Fußball ins Abseits rollen. Während des Turniers verlor kaum noch irgendein Politiker ein Wort über die inhaftierte Kollegin. Auch spielten überhöhte Hotelpreise oder die schwache Verkehrsverbindung zwischen beiden Gastgeberländern seit dem Anpfiff keine Rolle mehr. Es gab Boykottandrohungen, friedliche Proteste und ein Mal gröbere Ausschreitungen – sonst waren in den vergangenen Wochen die Fußballer am Wort. Und das sind ihre Geschichten, die fünf Tops und Flops der EM 2012.

1Tops: Italien bot attraktiven Calcio, Mario Balotelli überzeugte

Dank Trainer Cesare Prandelli war Italien die positive Überraschung der Euro 2012. Trotz all des Theaters wegen des Wettskandals im Vorfeld überzeugte die „Squadra“ mit erfrischendem Angriffsfußball und zog verdient ins Finale ein. Catenaccio praktizierte eigentlich nur England, das im Viertelfinale im Elferschießen gegen die Italiener ausschied. Im Angriff sorgte Mario Balotelli für ungeahnte Augenblicke puren Glücks. Er schoss Deutschland im Alleingang ab.

2Fairness: Nur eine Rote Karte und zwei Gelb-Rote Platzverweise

Nur eine Rote Karte und zwei Gelb-Rote Karten bis zum Endspiel untermalten den Gesamteindruck einer fairen EM. Brutale Fouls waren selten, auch Ellbogenchecks, übertriebene Theatralik, Schwalben oder ausuferndes Zeitschinden blieben größtenteils aus. In den K.-o.-Spielen bis zum Finale wurde nicht ein einziges Mal von den Referees Rot gezückt.

3Altstars: Pilo und Buffon glänzten, Schewtschenko bewies Köpfchen

Mittelfeldregisseur Andrea Pirlo, 33, und Tormannlegende GianluigiBuffon, 34, hatten maßgeblichen Anteil an Italiens Finaleinzug. Auch Barcelona-Superstar Xavi bewies, dass er mit 32 Jahren als „Passzentrale“ im Mittelfeld beim amtierenden Welt- und Europameister Spanien weiterhin unverzichtbar ist. Ukraine-Torjäger Andrej Schewtschenko unterstrich als 35-Jähriger seine Klasse mit einem Doppelpack beim 2:1-Auftaktsieg des EM-Ko-Gastgebers gegen Schweden. Es war sein letzter großer Auftritt, er beendet seine Karriere nach einem Abschiedsspiel.

4Irish: Die Fans der „Boys in Green“ gaben bei dieser EM den Ton an

Die irische Nationalmannschaft musste nach der Gruppenphase die Heimreise antreten. Der Stimmung seiner Fans tat dies aber keinen Abbruch. Selbst beim Stand von 0:4 gegen einen völlig überlegenen Europameister Spanien feierten 20.000 Anhänger im Stadion ihr Team, genauso wie nach der abschließenden 0:2-Niederlage gegen Italien. Trainer Giovanni Trapattoni streute den Anhängern Rosen. „Ihr seid die wahren Europameister“, sagte der „Maestro“.

5Ausgeglichenheit: Keine Entscheidung vor dem letzten Spieltag

Kein Team konnte bereits vorzeitig das Viertelfinalticket buchen, in allen Gruppen fiel erst am letzten Spieltag die Entscheidung über den Aufstieg. Auch die zwei großen Turnierfavoriten Spanien und Deutschland (im Halbfinale out) sowie Geheimfavorit Frankreich (im Viertelfinale out) mussten bis zuletzt, teils mehr, teils weniger, um den Aufstieg zittern. Die K.-o.-Spiele verliefen spannend.

1Flops: Der Torrichter übersah ein klares Tor von Gastgeber Ukraine

Beim abschließenden Gruppenspiel der Ukraine gegen England wurde beim Stand von 1:0 für die „Three Lions“ ein korrektes Tor von Marko Dević nicht gegeben. Auch im Spiel Spanien–Kroatien reagierte der Torrichter nicht, als vor seinen Augen Sergio Ramos im Strafraum ein klares Elfer-Foul an Mario Mandžukić begangen hatte. Die von der Uefa forcierten Torrichter dürften ohnehin bald der Vergangenheit angehören, da die Fifa die Einführung einer Torlinientechnologie beschließen wird.

2Niederlande: Zu viele Stars, die einfach keine Mannschaft bilden

Dass eine Ansammlung von Stars noch keine Mannschaft macht, bewiesen die Niederländer bei dieser EM-Endrunde äußerst eindrucksvoll. Trotz Spieler wie Wesley Sneijder, Arjen Robben, Robin van Persie oder Klaas-Jan Huntelaar schied der Vizeweltmeister erstmals seit 32 Jahren schon in der Gruppenphase aus. Und das ohne einen einzigen Punkt. Trainer Bert van Marwijk machte trotz geringen Widerstands das einzig Richtige: Er trat zurück.

3Frankreich: Gute Vorbereitung, aber im Turnier viele Streitereien

Zwar wurde mit dem Einzug ins Viertelfinale die Verbandsvorgabe erfüllt, aber die publik gewordenen Streitereien in der Kabine nach dem 0:2 im abschließenden Gruppenspiel gegen Schweden erinnerten frappant an den Skandal bei der WM 2010 in Südafrika. Und nach dem Viertelfinal-Aus gegen Spanien sorgte auch noch Samir Nasri mit seiner Beleidigung gegen Journalisten für einen skandalösen Abgang der „Grande Nation“.

4EM-Gastgeber: Polen und Ukraine wie Österreich und Schweiz

Wie schon vor vier Jahren in Österreich und der Schweiz waren die Teams der Ko-Gastgeber Polen und Ukraine im Viertelfinale nur noch Zuschauer. Die Ukrainer blieben jedoch in einer schweren Gruppe mit England und Frankreich sowie Schweden als Gruppendritter auf der Strecke. Die Polen scheiterten dagegen als Letzter im vermeintlich leichtesten Pool A mit Tschechien, Griechenland und Russland und müssen weiter auf ihren ersten EM-Sieg warten.

5Uefa: Manipulierte TV-Bilder, Geldstrafen in Serie

Die Europäische Fußballunion musste sich zweimal Vorwürfe wegen der Manipulation von TV-Bildern während der Euro gefallen lassen. So wurden bei zwei Spielen der Deutschen Szenen eingeblendet, die nicht live, sondern eingespielt waren. ARD und ZDF legten beim europäischen Dachverband Beschwerde ein und forderten gleichzeitig, dass nicht live gesendete Bilder kenntlich gemacht werden müssten.

Die Schnellrichter überzeugten mit ihrer rigorosen Aufarbeitung von Fan-Vorfällen (Stichwörter: bengalische Feuer, Rassismus), ließen aber bei der Unterhosenaffäre des Dänen Nicklas Bendtner das nötige Gespür vermissen. Der Däne muss für den „Werbeauftritt“ 100.000 Euro Strafe zahlen. Kroatiens Fans bewarfen Mario Balotelli mit Bananen, der Verband musste dafür 80.000 Euro Strafe zahlen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2012)

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