Marc Janko, 34, stellte sich demonstrativ vor Teamchef Marcel Koller und seine wegen Verletzungen abwesenden Kollegen. Die ÖFB–Führungsriege kritisierte er scharf: „Beschämend!“
Wien. Auf der Zielgeraden seiner Karriere als Teamchef der österreichischen Nationalmannschaft wurde Marcel Koller tatsächlich noch experimentierfreudig, dies geschah jedoch nicht aus freien Stücken. Die Absagen von gleich vier Stammkräften für die abschließenden WM-Qualifikationsspiele gegen Serbien (Freitag, 20.45 Uhr) und Moldau (Montag, 20.45 Uhr, jeweils live in ORF 1) hinterließen einen faden Beigeschmack.
Sie irritieren nicht zuletzt deshalb, weil die nicht zur Verfügung stehenden David Alaba (Bänderverletzung im Sprunggelenk), Martin Harnik (aktivierter Fersensporn), Martin Hinteregger (Reizung im Sprunggelenk) und Marcel Sabitzer (zwei Weisheitszähne entfernt) am vergangenen Wochenende allesamt 90 Minuten für ihre Klubs im Einsatz waren. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Koller versicherte Dienstagmittag bei einer Pressekonferenz in Wien, dass der ÖFB mit allen Beteiligten und den jeweiligen Vereinsärzten in Kontakt gestanden habe, die Absagen ausschließlich medizinische Gründe hätten. Koller: „Es ist eine Unterstellung zu behaupten, dass sie jetzt nicht kommen wollen oder sie ihr Land verraten.“
Ein Stürmer in der Offensive
Marc Janko ist einer von 23 Spielern, die dem Schweizer in den kommenden Tagen zur Verfügung stehen. Dass weniger über den bevorstehenden Vergleich mit Serbien denn über die Gründe für das Fernbleiben mancher Kollegen gesprochen wurde, ärgerte den ansonsten ausgeglichenen Janko sichtlich: „Es gibt Gründe für die Absagen. Man könnte den Spieß auch umdrehen und fragen: Warum unterstellt ihr ihnen etwas? Diese Diskussion ist für die Medien ein willkommenes Fressen.“
Während der Wiener seine Mitspieler verteidigte, übte er zugleich Kritik am Vorgehen des ÖFB in der Causa Koller. Als „beschämend“ und „besorgnisserregend“ bezeichnete der 34-Jährige die Art und Weise, wie die Trennung von Koller verbandsintern ablief. „Das hätte man schon eleganter lösen können.“ Schon in den Tagen vor der ÖFB-Präsidiumssitzung am 15. September hatten sich stimmberechtigte Mitglieder des Gremiums immer wieder öffentlich geäußert und dabei ein Ende der Ära Koller angedeutet. „Es ist schon sehr fraglich, was da passiert ist. Ich frage mich, ob wirklich immer der Sport und die Entwicklung im Vordergrund stehen.“ Weswegen Janko auch bekrittelte, dass neben Koller ÖFB-Sportdirektor Willi Ruttensteiner das Ende droht. „Was hat Willi verbrochen?“, fragte der Stürmer provokant. „Er hat mitgeholfen, einen der erfolgreichsten österreichischen Teamchefs zu installieren.“
Die Beziehung zwischen Janko und Koller darf durchaus als speziell bezeichnet werden. Nur Torhüter Robert Almer schenkte der Zürcher im Nationalteam vergleichbar viel Vertrauen, als für den Wiener (Reservist bei Trabzonspor, Legionär in Australien) eigentlich nichts sprach. Ohne Koller wäre Jankos Teamkarriere wohl schon längst vorbei, der Angreifer revanchierte sich mit Toren. „Ich werde dem Trainer immer dankbar dafür sein, dass er mir diese Chancen gegeben hat.“ Auch deshalb wünscht sich Janko, „dass die Verabschiedung mit dem größtmöglichen Respekt abläuft.“
Die natürliche Auslese
Neben Kollers Ära als Teamchef könnte auch jene von Janko als Teamspieler noch 2017 zu Ende gehen. Forciert der neue höchste Fußballlehrer des Landes die Jugend und macht einen Schnitt in seinem Kader, könnte der mit 28 Toren vierterfolgreichste Torjäger der österreichischen Nationalteam-Historie bald Geschichte sein.
Vorab selbst einen Schlussstrich zu ziehen, lehnt der Routinier ab. „Ich möchte mich selbst nicht so wichtig nehmen und einen Rücktritt verkünden. Ich brauche auch keine Verabschiedung im Stadion, bei der mir eine symbolische Vase in die Hand gedrückt wird.“ Janko empfinde es immer noch als „ehrenvolle Pflicht, für Österreich auflaufen zu dürfen. Wenn man mich braucht, bin ich da. Wenn nicht, dann bleibe ich zuhause.“ Dieser „natürlichen Auslese“ wolle er sich stellen.
Ganz kurz wurde gegen Ende der Pressekonferenz dann tatsächlich über Fußball und den nächsten Gegner Serbien gesprochen. Und Janko erkannte doch noch Positives. „Vielleicht beflügelt uns die Außenseiterrolle.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 4.10.2017)