Aleksandar Dragović: „Erfolg muss wehtun“

Die Qualitäten des Aleksandar Dragovi´c sind in dieser Saison bei Leverkusen wieder öfter gefragt.
Die Qualitäten des Aleksandar Dragovi´c sind in dieser Saison bei Leverkusen wieder öfter gefragt.APA/AFP/PATRIK STOLLARZ
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Teamspieler Aleksandar Dragović (27) möchte im zweiten Anlauf bei seinem Klub Bayer Leverkusen durchstarten. Der Wiener spricht über wilde Transfergerüchte, die Schnelllebigkeit des Geschäfts und seinen dunkelsten Moment.

Aleksandar Dragović hat schon viel von dieser Fußballwelt gesehen. Wien, Basel, Kiew, Leicester, überall dort hat er schon gespielt. Seit Sommer ist der 27-Jährige in Leverkusen stationiert. Wieder einmal. Es ist der zweite Anlauf des Verteidigers in Deutschland und bei der Bayer-Werkself nach 2016, als der Lockruf der Bundesliga so laut wurde, dass er ihm folgen und Kiew hinter sich lassen musste. Gerüchte um seine Person hatte es damals schon lang gegeben, vom FC Barcelona oder englischen Topklubs war die Rede. „Viel Blödsinn“ habe er, Dragović, im Zusammenhang mit seiner Person gelesen. Gelandet ist er letztlich weder im Camp Nou noch im Old Trafford.

Bis zum 18 Millionen Euro schweren Transfer von Kiew nach Leverkusen vor zweieinhalb Jahren war die Karriere des Aleksandar Dragović ein einziger Höhenflug, frei von irgendwelchen Turbulenzen. „Als Kind“, sagt der Wiener im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“, „hatte ich immer nur einen großen Traum: für die erste Mannschaft der Austria zu spielen.“ 93 Mal ist Dragović schlussendlich für seinen Herzensklub aufgelaufen. Dass der ÖFB-Teamspieler international Karriere machen würde, mit Dinamo Kiew in der Champions League an der Stamford Bridge gegen Chelsea mit Starcoach José Mourinho spielen und treffen sollte, das alles sei „eigentlich unglaublich. Was ich schon erlebt habe und immer noch erleben darf, hätte ich mir nie zu träumen gewagt.“

Jahre des Wartens. In Leverkusen traf der erfolgsverwöhnte Profi im Sommer 2016 aber auf Widerstand. Egal, ob bei Austria, in Basel oder Kiew – der Innenverteidiger war stets eine unverzichtbare Kraft. Bei Bayer sah er sich unbekannt großer Konkurrenz ausgesetzt. Und: Das von Ex-Salzburg-Trainer Roger Schmidt praktizierte Pressingsystem wollte studiert werden. Ein aufwendiges wie komplexes Spiel, speziell für einen Neuankömmling wie Dragović, der aufgrund seines Engagements in der Ukraine und des späten Transfers Ende August die komplette Vorbereitung bei den Deutschen verpasst hatte. Am Ende der Saison stand der Wiener in nur zwölf von 34 Bundesligapartien über die gesamte Spielzeit auf dem Rasen. Für Verein wie Spieler ein nicht zufriedenstellendes Zeugnis.

Da Leverkusen in der Folgesaison 2017/2018 unter Schmidt-Nachfolger Heiko Herrlich nicht mit Dragović als Stammkraft plante, wurde dieser an Leicester City verliehen. Die Rahmenbedingungen dieses Transfers waren erneut schlecht: wieder Ende August, wieder ohne Vorbereitung beim neuen Klub. Der damalige Leicester-Coach, Craig Shakespeare, hatte sich für eine Verpflichtung des Österreichers eingesetzt, keine zwei Monate später war er bei den „Foxes“ selbst Geschichte. Unter dem Franzosen Claude Puel kam Dragović auf elf Premier-League-Einsätze. Rückblickend sagt er: „Leider hat mich der Trainer nicht öfter aufgestellt. Warum, hat er mir nicht gesagt.“ Die Engländer ließen die Kaufoption verstreichen, im Sommer folgte die Rückkehr nach Leverkusen (Vertrag bis 2021), wo er nach zwei Jahren der Unzufriedenheit endlich wieder mehr Spielzeit bekommt.

Die Innenverteidiger Sven Bender und Jonathan Tah genießen intern zwar ein noch höheres Standing, spielt Leverkusen aber – wie beim 6:2-Auswärtssieg bei Bremen – mit einer Dreierkette, kommt dieses Trio zum Einsatz. Zudem verweist Dragović im Zuge der Doppelbelastung mit der Europa League auf das Rotationsprinzip. Denn: „Dass ein Spieler über drei, vier Monate jeden dritten Tag spielt, ist fast unmöglich.“ Beim 1:0-Heimsieg gegen den FC Zürich vergangenen Donnerstag bildete Dragović mit dem Kroaten Tin Jedvaj die Innenverteidigung

Streber und Träume. Leverkusen in der Saison 2018/2019 umschreibt Dragović mit dem Begriff „Wundertüte“. Als einer der ersten Anwärter auf die Champions-League-Plätze gehandelt, findet sich der Klub nach zehn Spieltagen nur auf Platz 13 wieder. „Wir können gegen jeden gewinnen, aber auch gegen jeden verlieren“, sagt der Wiener und nennt als Beispiel die Begegnung mit Dortmund. „Den BVB haben wir 60 Minuten an die Wand gespielt, 2:0 geführt und am Ende 2:4 verloren.“ Was ihm in Deutschland besonders imponiert, ist die Professionalität vieler Spieler. „Ich will der Erste beim Training sein, aber es gelingt mir nicht immer. Es gibt schon ein paar echte Streber, im positiven Sinn.“

Allzu weit nach vorn will Aleksandar Dragović nicht blicken. Die Vergangenheit hat ihn gelehrt, wie schnelllebig das Geschäft ist, aus Träumen rasch Albträume werden können. Er sagt: „Jeder Profi will doch zu Real oder Barça, aber am Ende des Tages musst du Realist sein, das Beste aus deiner Situation machen.“ Auch im Nationalteam hat Dragović schon Höhen sowie Tiefen durchlebt, die dunkelste Stunde ereignete sich just bei der EM 2016. Dass der verschossene Elfmeter im letzten Gruppenspiel gegen Island seiner Karriere nachhaltig geschadet habe, bestreitet er aber. „Das glauben viele Leute, sollen sie ruhig. Auch Ronaldo und Messi haben schon Elfmeter verschossen.“

Kommende Woche warten in der Nations League Bosnien und Herzegowina sowie Nordirland. Dragovićs Chancen auf die Teameinsätze Nummer 67 und 68 stehen gut, auch, weil Sebastian Prödl verletzungsbedingt fehlt. „Wir sind nur Österreich, müssen mehr machen als die anderen. Wir haben keine Neymars.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2018)

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