Franco Foda: "Das Geschäft ist unberechenbar"

SOCCER - BL, Sturm vs Altach
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Sturm-Coach Franco Foda spricht vor dem richtungsweisenden Duell mit Rapid über das gefährliche Los eines Fußballtrainers, das Niveau der Bundesliga und seine Vision in Graz.

Vor Ihrer Rückkehr nach Graz waren Sie 13 Monate ohne Trainerjob. Haben Sie die Arbeit auf dem Fußballplatz vermisst?

Franco Foda: Ich war direkt nach meiner Beurlaubung in Kaiserslautern wieder hungrig auf Fußball. Aber nachdem ich siebeneinhalb ungemein intensive Jahre durchlebt hatte, wollte ich einfach kurz abschalten. Dieser Abstand hat mir gutgetan. Wenig später war ich schon wieder unterwegs, habe bei Klubs hospitiert, mit verschiedenen Trainern gesprochen.

Sie haben unter anderem bei den Bayern und in Dortmund hospitiert. Was haben Sie dabei gelernt?

Dass der Fußball nicht ständig neu erfunden wird. Jeder Trainer hat eine andere Herangehensweise, wie er seiner Mannschaft Inhalte vermittelt. Der Unterschied liegt in der Detailarbeit, jeder interpretiert Pressing oder das Verhalten der Viererkette anders. Wichtig ist, dass man seiner eigenen Linie treu bleibt. Nichts lässt sich 1:1 kopieren.

Hatten Sie nach einem Jahr ohne Trainerjob Angst, in Vergessenheit zu geraten?

Darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht. Ich war lange Zeit in Österreich erfolgreich, bin mit Kaiserslautern in der zweiten Bundesliga Dritter geworden. Ich hätte schon zwei Tage nach meiner Beurlaubung wieder einen Job annehmen können, aber ich wollte auf das richtige Angebot warten.

Vor eineinhalb Wochen wurde der über Jahre in Deutschland arbeitende Peter Pacult als Trainer des Zweitligisten FAC vorgestellt. Erkennen Sie darin eine gefährliche Entwicklung auf dem Trainermarkt?

Es gibt immer mehr Trainer bei gleichbleibend vielen Jobs. Die Konkurrenz wird unbestritten größer, aber wenn man gute Arbeit leistet, ist man immer wieder ein Thema. Fußball ist und bleibt ein Ergebnissport. Wenn du dir ein, zwei Negativerlebnisse erlaubst, kannst du schnell von der Bildfläche verschwinden.

Sie arbeiten seit über zehn Jahren als Trainer in Österreich. Stagniert das Niveau der Bundesliga oder ist es gar angestiegen?

Der Fußball in Österreich war schon vor zehn Jahren gut. Aber ich glaube doch, dass sich die Liga entwickelt hat. Heute sind viel mehr Mannschaften offensiver orientiert, so wie Spieler entwickeln sich auch Trainer weiter. Und um den Bogen nach Deutschland zu spannen: Dort ist ja auch nicht alles Gold, was glänzt. Weniger attraktive Spiele werden schlicht besser verkauft, was auch mit dem größeren Zuschaueraufkommen zu tun hat, von der besseren Infrastruktur gar nicht zu sprechen. Und die Zehnerliga in Österreich ist ohnehin nicht mehr zeitgemäß.

Sie leisten mit Ihrer aktuellen, teils sehr jungen Mannschaft gute Arbeit. Mit dem von Schalke ausgeliehenen Donis Avdijaj drängt ein 18-Jähriger ins Rampenlicht. Ein Spieler mit dem gewissen Etwas?

Er hat großes Talent, ohne Frage. Als Donis im Winter zu uns gekommen ist, hat er die Aufgabe in Österreich noch etwas unterschätzt. Mittlerweile hat er sich an das Training und die Erstligaspiele gewöhnt, er hat in wenigen Monaten enorm dazugelernt. Ob er über den Sommer hinaus in Graz spielt, liegt leider nicht in unserer Macht, darüber entscheiden Schalke und der Spieler. Aber Donis ist glücklicherweise nicht unser einziges Talent, Sturm ist eine tolle Plattform für aussichtsreiche junge Spieler. Der Verein hat auch noch Andreas Gruber (19), Sandi Lovric (17) oder Marc Andre Schmerböck (21) in seinen Reihen.

Wie bringen Sie diese Talente dazu, nicht die Bodenhaftung zu verlieren?

Indem ich ihnen vermittle, dass mit ein, zwei guten Spielen noch nichts erreicht ist. Nach oben kommt man schnell. Die große Kunst ist es, sich dort über Jahre zu behaupten.

Der Tabellenzweite darf sich kommende Saison in der Champions-League-Qualifikation versuchen. Halten Sie dieses Vorhaben für realistisch?

Für uns ist Platz zwei kein Muss, das wäre ein Zuckerl. Wir haben eine große Aufholjagd hinter uns, haben viel investiert und kämpfen jetzt leider mit ein wenig Verletzungspech. Für uns ist es primär wichtig, nächste Saison wieder international vertreten zu sein. Rapid, Altach und Sturm kämpfen um die Plätze zwei bis vier, dieser Dreikampf verspricht Spannung. In dieser Phase der Saison gilt es, Präsenz zu zeigen, sich keine Schwächeperiode mehr zu erlauben.

Welche Vision verfolgen Sie mittelfristig mit Sturm? Darf man in Graz künftig auch wieder vom Meistertitel sprechen?

Das wäre möglich, wenn wir Kontinuität in die Mannschaft bringen. Vor dem Titelgewinn 2011 war genau das der Fall, wir hatten uns immer punktuell verstärkt. Diese Saison haben wir mit Robert Beric, Florian Kainz und Marco Djuricin drei Topspieler abgegeben. Hätten wir diese Spieler noch, hätten wir vielleicht schon dieses Jahr ganz vorn mitmischen können. Letztendlich steht und fällt alles mit der Kontinuität. Aber bei Sturm wird es wohl immer so sein, dass man manchen Topspieler abgeben muss, wenn ein Verein wie Salzburg oder Rapid anklopft.

Heute Nachmittag steht das richtungsweisende Heimspiel gegen Rapid an. Aus drei Saisonduellen holte Ihr Team nur einen Punkt, auch im Cup scheiterte man an den Wienern. Warum tut sich Sturm gegen Rapid so schwer?

Bis auf ein Spiel waren alle Partien extrem eng, wir hätten sie auch für uns entscheiden können. Duelle mit Rapid sind immer geprägt von großen Emotionen, von offensiven Aktionen. Rapid hatte diese Saison immer etwas die Nase vorn, heute wollen wir den Spieß umdrehen.

Vorausgesetzt, Sie überzeugen in Graz weiterhin und bekommen deshalb erneut ein Angebot aus Deutschland: Müssen sich die Sturm-Fans dann wieder auf einen Abgang einstellen?

Ich bin nicht nach Graz gekommen, um gleich wieder weg zu sein. Ich bin zurückgekommen, weil ich das Gefühl habe, etwas entwickeln zu können. Aber wir wissen doch, wie schnelllebig dieses Geschäft ist. Es ist unberechenbar geworden. Manchmal ist es sogar besser, als Trainer nach einem großen Erfolg den Verein zu wechseln bevor man beurlaubt wird (lacht). Das war in den vergangenen Jahren ja des Öfteren der Fall. Ich lasse alles auf mich zukommen, aber zum jetzigen Zeitpunkt kann ich sagen: Ich habe keine Ambitionen, irgendwo anders hinzugehen.

Steckbrief

Franco Foda wurde am 23. April 1966 in Mainz geboren. Der einstige Verteidiger spielte während seiner aktiven Laufbahn unter anderem für Kaiserslautern, Leverkusen, Stuttgart, Basel und Sturm Graz.

Die Steirer übernahm Foda erstmals 2003 als Cheftrainer, er führte die Mannschaft zu Cup-Ehren (2010) und einem Meistertitel (2011).

Nach 14 Monaten in Kaiserslautern kehrte Foda im vergangenen September als Nachfolger von Darko Milanić nach Graz zurück.

Bei noch sechs ausstehenden Runden rangiert Sturm (51 Punkte) auf Rang vier, heute (16.30 Uhr, live in ORF eins, Sky) empfangen die Grazer den Zweiten, Rapid (53 Punkte).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2015)

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