Die Japaner aus dem Waldviertel

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Die Kooperation des SV Horn mit Japans Teamspieler Keisuke Honda sorgt für Aufsehen. Man serviert Sushi, sucht Talente, träumt vom Europacup – und steht vor dem Erste-Liga-Aufstieg.

Horn/Wien. Selbst eingefleischte Fans des SV Horn hielten die Aussendung im vergangenen Sommer für einen schlechten Scherz. Doch die anfängliche Skepsis war schnell verflogen, der Klub aus der Regionalliga Ost ging tatsächlich eine Kooperation mit dem japanischen Teamspieler Keisuke Honda ein. Der Spieler des AC Milan und seine Agentur Honda Estilo Co., Ltd. waren dank Erzählungen des japanischen Ko-Trainers auf die 6600 Einwohner zählende Gemeinde gestoßen. Honda wurde vorstellig mit Plänen, wie man sie bislang nur von Frank Stronach hörte – und nie glauben wollte: Investment, neue Spieler, Aufstieg, Meisterschaft und Champions League.

Nicht mit Rapid oder Salzburg will der Japaner den Ansturm wagen, sondern mit Horn. Honda suchte eine Basis in Europa, „es war eine Kosten-Nutzen-Rechnung“, schildert Obmann Rudolf Laudon die Entstehungsgeschichte stolz. Auch Wr. Neustadt, Sportklub, Vienna oder Innsbruck waren im Rennen als Partner für Hondas 50 Fußballschulen. Honda, 29, und Horn, 1922 gegründet, schlossen den Deal ab. Von der Kooperation erwarten sich beide Seiten viel, vor allem, sagt Laudon, „will Honda hier bei uns etwas aufbauen“. Eine GmbH ist vereinbart, 51 Prozent besitzt weiterhin der SV Horn, 49 Prozent Hondas Firma.

20.000 Fans beim Livestream

Es sei kein Stronach-Modell, kein Auftritt wie Red Bull, sondern eine Partnerschaft. Was absurd, nach Märchen oder Geldverbrennung klingt, wurde Realität. Mittlerweile spielen sechs Japaner in Horn, werden Sushi und Sake nebst der obligaten Wurstsemmel im Buffet angeboten – und der Klub hat Erfolg. Horn ist Tabellenführer der Regionalliga Ost, in dieser Saison wird der Titel mit dem Aufstieg entlohnt. Der Geldgeber ist zufrieden.

„Das Ziel ist ähnlich wie bei RB Leipzig“, sagt Hondas Cousin Yoji, der beim SV Horn das Management übernommen hat. „Wir fangen unten an, um später ganz an die Spitze zu kommen.“ Der Unterschied jedoch sei, dass Red Bull eine Konzern mit enormen Ressourcen sei. „Wir wollen das Gleiche mit einem ganz anderen Budget erreichen.“ Was seine Familie aber in den Klub pumpt und wie lang man dieses Engagement eigentlich plant, verriet er nicht.

27 Profis, betreut vom Japaner Masanori Hamayoshi (einst Coach von Ivica Vastić bei Nagoya), stehen im Kader, über einen Etat von zwei Millionen Euro wird in der Stadt gemunkelt. Bei Heimspielen werden in der schmucken Waldviertel-Arena im Schnitt 1500 Besucher gezählt. 4000 würden zwar reinpassen, dass viele Plätze leer bleiben, stört nicht weiter. Denn seitdem die Japaner am Ruder sind, sei Horn in Japan durchaus ein Begriff. Per Livestream sähen 20.000 Fans zu, beteuert Yoji Honda. Ob man in Tokio aber wirklich weiß, wo Horn denn überhaupt ist oder heute (16 Uhr) gegen den FC Stadlau kickt? Nicht zwingend, aber dass Teamtorhüter Shuichi Gonda seit Jahresbeginn vom FC Tokio ausgeliehen ist, hat Schlagzeilen gemacht. Ebenso sein schmerzhafter Schienbeinbruch im zweiten Spiel. . .

Horn sorgt also doch für Aufsehen, die mögliche Rückkehr in die Erste Liga machte internationale Medien hellhörig, unter anderen berichtete sogar die Deutsche Presse Agentur vom „Fußballwunder aus dem Waldviertel“. Doch nicht jeder Anrainer und Fan ist begeistert von dieser Entwicklung. Der „SV Japan“ habe keine Identität, zu viele Legionäre würden spielen – auch traue man dem ganzen Unterfangen nicht so ganz. An den Visionen der Familie Honda ändert das vorerst aber überhaupt nichts. „In spätestens fünf Jahren“, erläutert Trainer Hamayoshi seine Mission, „spielt Horn in der Champions League.“ Realität, Fiktion, oder ein leeres Versprechen? Aber wer hätte je geglaubt, dass irgendwann ein japanischer Fußballstar in Horn als Investor auftritt? (fin)

AUF EINEN BLICK

Keisuke Honda
ist Fußballprofi, spielt beim AC Milan und ist seit Juni 2015 mit seiner Firma und Familie Partner des SV Horn. Der Klub steht vor dem Wiederaufstieg in die Erste Liga. [ AFP]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2016)

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