Spanischer Schockmoment

"Heute sieht es nach einer Schwäche aus, aber mit der Zeit wird das Ganze uns stärker machen." Luis Rubiales, Verbandspräsident
"Heute sieht es nach einer Schwäche aus, aber mit der Zeit wird das Ganze uns stärker machen." Luis Rubiales, VerbandspräsidentAPA/AFP/PIERRE-PHILIPPE MARCOU
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Der Verbandspräsident entließ mit einem Machtwort Teamchef Lopetegui. Der Weltmeister von 2010 steht nun vor einer Zerreißprobe.

Krasnodar/Wien. Es war ein Paukenschlag im spanischen Teamcamp zu Krasnodar: Teamchef Julen Lopetegui wurde zwei Tage vor dem WM-Auftakt gegen Portugal (Freitag, 20 Uhr) entlassen. „Gewinnen ist wichtig, aber gewisse Verhaltensregeln sind noch wichtiger. Deshalb haben wir uns zu dieser Entscheidung verpflichtet gefühlt“, erklärte Verbandspräsident Luis Rubiales. Der 40-Jährige wurde mit dieser überraschenden wie umstrittenen Entscheidung seinem Spitznamen „Pundonor“ (Ehrgefühl) zu Profizeiten gerecht. Lopetegui selbst wird sich nach Verbandsangaben erst nach seiner Rückkehr in Spanien zu seinem spektakulären Abgang äußern.

Wie überstürzt die Ereignisse vonstatten gingen, wurde deutlich, als Rubiales zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal einen Nachfolger parat hatte. Gut drei Stunden lang war der Weltmeister von 2010 offiziell trainerlos. Dann wurde Sportdirektor Fernando Hierro als neuer Teamchef präsentiert.

Spieler appellieren vergeblich

Ausgangspunkt der Aufregung war die Vertragsunterschrift Lopeteguis bei Real Madrid, die am Dienstagabend öffentlich wurde. Der 51-Jährige nutzte hierfür eine Ausstiegsklausel in seinem Vertrag, hatte die Verbandsspitze jedoch nicht über die Verhandlungen informiert. „Ich habe davon in ein oder zwei kurzen Telefonaten fünf Minuten vor der Bekanntgabe erfahren“, berichtete Rubiales und machte den spanischen Rekordmeister für das intransparente Vorgehen verantwortlich. „Julen hätte es lieber gehabt, wenn die Dinge anders gehandhabt worden wären.“

Rubiales untersagte Lopetegui eine öffentliche Stellungnahme und berief stattdessen eine Krisensitzung ein. Zu dieser reiste er wutentbrannt, so berichten es spanische Medien, und bereits mit der Absicht Lopetegui zu entlassen, an. Im Teamquartier in Krasnodar wurde dann offenbar hitzig diskutiert, denn die angesetzte Pressekonferenz verzögerte sich um über eine Stunde. Selbst gut informierte Journalisten glaubten bis dahin noch an eine Beilegung des Konflikts. Schließlich appellierten sowohl Vorstandskollegen als auch die Spieler unter Führung von Kapitän Sergio Ramos an den Präsidenten, die Zusammenarbeit mit Lopetegui fortzusetzen – sie wurden nicht erhört.

Die ihm in der Öffentlichkeit angekreidete persönliche Empfindlichkeit wollte Rubiales nicht gelten lassen, vielmehr habe er als Präsident keine andere Wahl gehabt. „Ich fühle mich nicht betrogen. Das Problem ist, wie der spanische Verband gänzlich außen vorgelassen wurde. Ich wünsche Julen das Beste, aber wir können einfach nicht akzeptieren, was passiert ist.“ Er habe der Mannschaft seine Entscheidung erklärt. „Sie haben sie verstanden und mir größtmöglichen Einsatz versprochen“, betonte Rubiales.

Intern dürfte dem Nationalteam dennoch eine Zerreißprobe bevorstehen. Die frühe Bekanntgabe des Wechsels soll abgesehen von den sechs Real-Spielern um Ramos und Isco auf wenig Anklang gestoßen sein.

Einzigartiger Fall

Spanien hat WM-Geschichte geschrieben, denn einen derart kurzfristigen Trainerwechsel gab es vor einer WM-Endrunde noch nie. 1986 musste Eduard Malofejew gut einen Monat vor dem Turnier in Mexiko den Platz auf der Trainerbank der Sowjetunion für Waleri Lobanowski frei machen.

Mit einem vorab angekündigten Abschied eines Trainers hat Spanien hingegen schon Erfahrung gemacht: László Kubala kündigte vor Beginn der EM 1980 seinen Wechsel zum FC Barcelona an. Im Gegensatz zu Lopetegui durfte er damals bleiben, Spanien schied mit einem Punkt als Gruppenletzter aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2018)

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