Das falsche Spiel mit politischen Symbolen

Shaqiris Torjubel mit dem „Doppeladler“: eine Provokation, die in der Schweiz für schwere Debatten sorgt.
Shaqiris Torjubel mit dem „Doppeladler“: eine Provokation, die in der Schweiz für schwere Debatten sorgt.(c) REUTERS (GONZALO FUENTES)
  • Drucken

Warum jubeln WM-Fußballer mit politischen Gesten wie dem „Doppeladler“? In der Schweiz eskaliert die Nationalismus-Debatte.

Fanatismus oder Fankultur? Patriotismus oder Nationalismus? Der Unterschied ist stets ein schmaler Grat, das verdeutlicht diese Fußball-WM. Wenn Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka, zwei Schweizer mit kosovo-albanischen Wurzeln, plötzlich den Torjubel gegen Serbien mit dem „Doppeladler“ zelebrieren, ist mehr als Euphorie im Spiel. Der „serbische Gruß“ mit drei gestreckten Fingern dient als Gegenreaktion. Der Kroate Domagoj Vida empfindet den eigenen Sieg im Elfmeterschießen als „Ehre für die Ukraine“. Warum?

Sind es zumeist Diktatoren oder autoritäre Regime, die Sportereignisse als Politbühne benützen, liefern bei der WM in Russland markanterweise Spieler mit Wurzeln in der Balkanregion die Negativschlagzeilen. Mit der Folgewirkung, dass nicht nur in der ersten, sondern sich auch in der zweiten Heimat, bei ihren Fans (siehe Chronik, Seite 9) Freude und Fanatismus vermischen.

Fußball, kein Ping-Pong

„Wo und wann wird Nationalismus pathologisch?“, fragt Rudolf Müllner, Sport-Historiker der Universität Wien. Sport kann versöhnen, Nord- und Südkorea leben es seit Olympia in Pyeongchang ja vor. Die „Ping-Pong-Diplomacy“ führte sogar China und USA in den 1970er-Jahren wieder zueinander. Wieso gelingt es aber der Weltsportart Fußball nicht, solche Botschaften bzw. Verfehlungen endgültig zu unterbinden?

Hymnen, Farben, Wappen, uniforme Trikots – der Populärsoziologe Roland Girtler zählt stets diese Faktoren auf und nennt Assoziationen mit „Kult, Mythen, Religion.“ Im Fußball sei das gebräuchlich, „im Sport geht es nur um den Sieg“, martialische Begriffe wie Krieg, Kampfmannschaft oder Angriff sind Teil also dessen. Der Gegner wird, „warum auch immer“, tatsächlich viel zu oft zum Feind. Soziale Entwicklungshilfen oder rationale Auseinandersetzungen mit dieser Problematik sind im Fußball jedoch Mangelware. Deshalb ist er weiterhin eine Spielwiese der Rechtspopulisten.

„Balkangraben der Schweiz“

Diese WM zeigt, wie leicht sich ganze Gesellschaften irritieren und teilen lassen. Wie schnell selbst die größten Verdienste in Vergessenheit geraten. Der Schwede Jimmy Durmaz, Sohn türkischer Einwanderer, erhielt Morddrohungen – wegen eines (spielentscheidenden) Fouls. Das Foto der deutschen Teamspieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan mit dem türkischen Präsident Recep Tayyip Erdoğan spaltete nicht nur das DFB-Team (siehe Artikel rechts), sondern befeuerte – besonders nach dem blamablen Ausscheiden – die Diskussion des Fremdenhasses. Dass Özil großen Anteil am WM-Titel 2014 hatte, ist in der Gegenwart nicht weiter von Belang.

Der Weltverband Fifa forciert „No to Racism“- oder „Fair Play“-Initiativen. Was aber passierte mit Xhaka, Shaqiri, Vida etc.? Es gab, harmlose Geldstrafen (10.000 Euro), eine simple Verwarnung.

In der Schweiz selbst eskaliert gerade die Debatte nach den WM-Vorfällen um die sogenannten „Secondos“. Verbandsgeneralsekretär Alex Miescher zog dabei sogar in Erwägung, künftig keine Doppelstaatsbürger mehr in der „Nati“ zuzulassen. Für Xhaka sei das eine „Steinzeit-Methode“, manch einer im Verband könnte sich damit womöglich aber anfreunden. Es sei „längst eine Selbstzerfleischung und kein Streit mehr“, urteilte die „NZZ“ über den „Balkangraben“.

Im Erfolgsfall hat Integration immer funktioniert. Scheitert aber ein Patriotismus-Flaggschiff, also Nationalteam, hat es immer öfter den Anschein, als hätte es diese Versuche in Europa nie gegeben. Gäbe es denn diese Aufregung, wenn diese Spieler keinen Migrationshintergrund gehabt hätten?

Real-Stürmer Karim Benzema hatte diesbezüglich eine Antwort schon vor Jahren parat: „Wenn ich treffe, bin ich Franzose. Wenn ich nicht treffe, bin ich Araber.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.