Mario Mandžukić: Oft verkannt und verflucht, jetzt der Held

Mandžukić schrie, Rebić (l.) und Pivarić (r.) gratulierten. Fotograf Yuri Cortez boten sich ganz neue Perspektiven, denn die Kroaten lagen bei ihrem Torjubel auf ihm.
Mandžukić schrie, Rebić (l.) und Pivarić (r.) gratulierten. Fotograf Yuri Cortez boten sich ganz neue Perspektiven, denn die Kroaten lagen bei ihrem Torjubel auf ihm.(c) APA/AFP/YURI CORTEZ
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Mario Mandžukić eröffnete den Kroaten mit seinem Siegtreffer die historische Chance auf den ersten WM-Titel. Der Stürmer ist für Gegner und so manchen Trainer eine Reizfigur, das hat es ihm in seiner Karriere nicht leicht gemacht.

Moskau/Wien. So nah wurde Mario Mandžukić beim Torjubel noch nie ins Bild gerückt. Seinen siegbringenden Treffer zum 2:1 gegen England in der 109. Minute der Verlängerung feierten die Kroaten derart ausgelassen, dass sie dabei einen Fotografen umwarfen, der die ungewohnte Perspektive sogleich zum Schnappschuss für die Ewigkeit nutzte. Sein Auftritt im WM-Halbfinale wäre Mandžukić aber auch so in bester Erinnerung geblieben: 90 Minuten so gut wie nicht zu sehen, in der Verlängerung zunächst den Matchball vergeben – und schließlich doch noch zum Helden avanciert.

„Wir haben gekämpft wie Löwen und werden das im Finale wieder tun“, erklärte Mandžukić. Der 32-Jährige von Juventus Turin verkörpert die kroatischen Tugenden wie kaum ein anderer: Technik gepaart mit unbändigem Einsatzwillen, der zuweilen über das Erlaubte hinausgeht – er hat öfter selbst gefoult, als dass er regelwidrig gestoppt wurde. Er zählt zur Sorte Fußballer, der gegnerische Fans zur Weißglut treibt und dafür von den eigenen Fans geliebt wird. Und nicht nur, weil er zum Viertelfinale gegen Russland Fans in seiner Heimatstadt Slavonski Brod Bier um 3300 Euro spendierte.

So aggressiv und polarisierend Mandžukić auf dem Platz auftritt, privat schlägt er ruhige Töne an. „Ich bin langweilig“, sagte er einst bei seiner Vorstellung bei Bayern München über sich selbst. Aufgewachsen an der kroatisch-bosnischen Grenze flüchtete er als Sechsjähriger vor dem Krieg mit seiner Familie nach Deutschland in die Nähe von Stuttgart. Ohne Sprachkenntnisse fand er Freude und Anerkennung beim Fußball. „Auf dem Platz ist er ein Draufgänger geworden, einer, der sich in Duellen Kraft holt“, erzählte seine Schwester Ivana. Nach vier Jahren jedoch lief die Aufenthaltsbewilligung aus, die Familie kehrte nach Kroatien zurück. Wieder war er Außenseiter und steckte all seine Kraft in die Profikarriere.

Gefeiert und geschasst

Seither hat Mandžukić viele Höhen und Tiefen erlebt. Talent, Hingabe genauso wie Eigensinn und Härte haben ihn weit gebracht, jedoch auch immer wieder anecken lassen. Mit 23 brach er einen Streit mit Dinamo Zagreb los, als der Klub ihn nach einer starken Saison nicht nach Deutschland ziehen lassen wollte. 2011 rettete er Wolfsburg mit acht Toren in den letzten sieben Spielen fast im Alleingang den Klassenerhalt und wurde als „Super Mario“ gefeiert, doch Felix Magath warf ihm bald darauf zu wenig Verantwortungsübernahme und Trainingseinsatz vor. Er verbannte ihn auf die Bank. Als der Rechtsfuß im folgenden Sommer ging, freute das den VW-Klub – und Bayern München, das um 13 Millionen Euro zuschlug.

Jupp Heynckes fand den Draht zum eigensinnigen und verschwiegenen Profi, hielt zu ihm, selbst als er ein Tor mit einem umstrittenen Gruß an verurteilte Kriegsgeneräle feierte. Mandžukić dankte es mit 22 Toren in 40 Spielen, darunter eines beim Champions-League-Sieg gegen Dortmund, und war einer der Erfolgsgaranten in der Triple-Saison. In Pep Guardiolas Vision aber war kein Platz für einen Spieler und Charakter seines Typs. Mit der Verpflichtung von Robert Lewandowski war sein Schicksal besiegelt.

Es folgte ein Jahr bei Atlético Madrid, wo es spielerisch funktionierte, aber nicht mit Diego Simeone, einem anderen Sturschädel. Bei Juventus versteht es Massimiliano Allegri hingegen seit drei Jahren Mandžukić bei Laune zu halten, es gelang sogar der Wandel vom Mittelstürmer zum mannschaftsdienlichen Linksaußen. Im Nationalteam ist der Routinier unter Zlatko Dalić weiter an vorderster Front gesetzt, kam bis auf das letzte Gruppenspiel immer zum Einsatz.

Mit seinem Tor gegen England hat Mandžukić Kroatien die historische WM-Chance eröffnet. In Turin ist seine Zukunft nach der Verpflichtung von Cristiano Ronaldo wieder einmal ungewiss. Dabei hat er Portugals Superstar vielleicht bald den WM-Titel voraus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2018)

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