"It's not coming home": Englands geplatzter Traum

Harry Kane war gegen Kroatien kein Hurricane, der Stürmer blieb zu harmlos.
Harry Kane war gegen Kroatien kein Hurricane, der Stürmer blieb zu harmlos. (c) APA/AFP/MANAN VATSYAYANA
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Kroatien erwies sich im Halbfinale als Partyschreck, den Engländern fehlte es an Reife und letztlich auch Qualität. Die Zukunft der "Three Lions" aber scheint verheißungsvoll, deren Entwicklung hat gerade erst begonnen.

Moskau/Wien. Englands Fußball hat eine große Chance vergeben, dahingehend waren sich alle Beteiligten nach dem Halbfinal-Aus im Moskauer Luschniki-Stadion einig. Lange Zeit führten die „Three Lions“ gegen Kroatien mit 1:0, hatten Spiel und Gegner im Griff. Das erste WM-Finale seit dem Titel 1966, es war zum Greifen nahe. Doch eine einzige Aktion der Kroaten, der Ausgleichstreffer durch Ivan Perišić in der 69. Minute, brachte England aus dem Gleichgewicht. Die jungen Löwen wussten mit dem Rückschlag nicht umzugehen.

Just in diesem Moment fehlte es an Führungsspielern, an Routiniers, die wieder Ruhe ins Spiel der Engländer hätten bringen können. Stattdessen aber übernahmen die erfahreneren Kroaten das Kommando, sie schnürten die Elf von Gareth Southgate zunehmend ein, ehe Mario Mandžukić in der zweiten Halbzeit der Verlängerung das Schicksal von Harry Kane und Co. besiegelte. Dennoch, Englands Vorstellung bei dieser Weltmeisterschaft war bemerkenswert.

Praktisch ohne Erwartungen nach Russland gereist, spielte sich die Mannschaft schon beim ersten Vorrundenspiel gegen Tunesien (2:1) mit ihrer Unbekümmertheit in die Herzen der Fans. Als nach dem 6:1 gegen Panama der Einzug ins Achtelfinale vorzeitig feststand, begann auf der Insel die Träumerei. „It's coming home“, der Fußball könnte tatsächlich nach Hause kommen, dachten viele. Zurück ins Mutterland, wo zum ersten und bislang letzten Mal vor 52 Jahren vergleichbar gejubelt wurde.

Natürlich hätte England seine Reise mit dem Titel krönen können, aber war dieses Vorhaben realistisch? Nein, keineswegs. In der Euphorie der Berichterstattung schwang viel Zweckoptimismus mit, denn England verfügt, bei aller Sympathie, weder über eine Handvoll genialer Individualisten noch über das stärkste Kollektiv.

Um den ganz großen Coup zu landen, fehlte es dem Team an Reife und Ausnahmekönnern. Und selbst Kane, der derzeit einzige Spieler von Weltklasseformat, blieb in der K.-o.-Runde vieles schuldig. Wollen die „Three Lions“ in vier Jahren bis ins Finale vorstoßen, gilt es, die Hausaufgaben zu erledigen. Spieler müssen bei ihren Klubs zu unersetzbaren Leistungsträgern reifen, noch mehr Verantwortung übernehmen. Ihren Zenit hat diese Mannschaft gewiss noch lange nicht erreicht, der Fußball aber bleibt ein unberechenbares Geschäft. Southgate sagt: „Wir können künftig um Titel mitspielen, aber heute war eine wunderbare Gelegenheit für uns. Man kann nicht garantieren, dass eine solche wieder kommt.“ (cg)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2018)

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