Neuling Slowakei schickt Weltmeister Italien heim

Neuling Slowakei schickt Weltmeister
Neuling Slowakei schickt Weltmeister(c) AP (Ricardo Mazalan)
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Während die Slowakei mit dem 3:2-Sieg gegen Italien ins Achtelfinale einzieht, ist für den Titelverteidiger die WM nach der Vorrunde vorbei. Der Squadra Azzurra steht ein schwieriger Neubeginn bevor.

Kraftlos fiel Fabio Quagliarella auf den Rasen des Johannesburger Ellis-Park-Stadions. Er weinte, schlug sich die Hände vors Gesicht. Fast so als wollte er die Realität so lange wie möglich von sich fernhalten. Wenige Augenblicke zuvor wurde Italiens WM-Ausscheiden besiegelt. Der regierende Weltmeister musste sich dem WM-Debütanten Slowakei 3:2 geschlagen geben. Nächste Station Heimreise, nicht das ersehnte Achtelfinale.

„Ich übernehme die gesamte Verantwortung, für alles was passiert ist", sagte Marcello Lippi mit steinerner Miene. Er war es, der Italien 2006 zum WM-Titel über Frankreich geführt hatte. Es war die Stunde seines größten Triumphes. 2010 ist der schöne Verputz von der gealterten „Squadra Azzura" endgültig abgebröckelt. Lippi steht vor den Trümmern seines Lebenswerks. „Es tut mir furchtbar leid, dass meine Arbeit so endet."

Vor der Niederlage gegen die Slowakei musste Italien schon zwei Remis hinnehmen. Der Weltmeister agierte nicht nur rat- und lustlos, sondern auch durch und durch fehlerhaft: Fehlpässe und Outbällle am laufenden Band. Nicht einemal zum Reklamieren bei strittigen Schiedsrichterentscheidungen konnten sich die Italiener durchringen. „Wenn eine Mannschaft in so einem wichtigen Spiel wie heute mit dem Schrecken im Herzen und in den Beinen auftritt und unfähig ist, seine Möglichkeiten auszuschöpfen, dann ist das, weil sie der Trainer nicht richtig eingestellt hat." Wenigstens mit seiner Analyse ist Lippi richtig gelegen.

Die Zeit ist an Spielern wie Gattuso, de Rossi und Cannavaro vorbeigelaufen. Sie sind nicht mehr der Rückhalt, sie sind die Schwachstellen der Abwehr. De Rossis Anfängerfehler bescherte den Slowaken die Führung: Sein Fehlpass wurde von Kucka abgefangen, Vittek stand frei und erzielte das 1:0 (25.). In der 73. Minute stellte ebendieser auf 2:0.

Endlich, aber doch viel zu spät wurde den Italienern der Ernst der Lage bewusst. Antonio di Natale besorgte den Anschlusstreffer in der 81. Minute. Quagliarella jubelte vier Minuten später vergebens, sein Treffer wurde wegen Abseits aberkannt.

Mitten in den Vorwärtsdrang der Italiener hinein sorgte die Slowakei aber für den Todesstoß: Kamil Kopunek stellte auf 3:1. Fabio Quagliarella raffte sich auf. Aus 20 Metern feuerte er in der Nachspielzeit den Ball ins Tor zum 3:2.
Aber es war zu spät. Unmittelbar nach dem Schlußpfiff brach er auf dem Spielfeld zusammen, weinte, schlug sich die Hände vors Gesicht. Er konnte den Schrecken der Realität nicht fassen: Der Weltmeister ist ausgeschieden.

Meinungen

Vladimir Weiss (Teamchef Slowakei): "Alle Slowaken sind glücklich, das ist ein fantastischer Tag für uns. Vor dem Spiel waren wir unter sehr starkem Druck. Nach der Geburt meines Sohnes ist das der glücklichstes Tag meines Lebens. Ich danke allen Anhängern, die hier sind, um uns zu unterstützen. Ich bin sehr stolz auf mein Team, alle Spieler haben in den ersten 80 Minuten gegen den Weltmeister auf hohem Niveau gespielt. Wir sind in der letzten Viertelstunde unter großem Druck gestanden, aber wir haben gewonnen."

Robert Vittek (Doppeltorschütze Slowakei): "Das ist ein riesiger Erfolg. Wir haben die Grenzen des slowakischen Fußballs verschoben. Wir hätten nicht im Traum daran gedacht, dass so etwas möglich ist. Was wir sicherlich nicht erwartet haben, ist, dass wir das Spiel dominiert haben. Wir waren die bessere Mannschaft. Wir haben mit Herz gespielt und das ist, was heute entschieden hat. Wir haben bis zum Ende gezittert, aber wir haben immerhin auch gegen den Weltmeister gespielt."

Marcello Lippi (Teamchef Italien): "Ich übernehme die gesamte Verantwortung, über alles was passiert ist. Wenn eine Mannschaft in so einem wichtigen Spiel wie heute mit dem Schrecken im Herzen und in den Beinen auftritt und unfähig ist, seine Möglichkeiten auszuschöpfen, dann ist das, weil sie der Trainer nicht richtig eingestellt hat. Es tut mir furchtbar leid, dass meine Arbeit so endet. Wir wollten noch einmal Weltmeister werden, dies ist uns nicht gelungen. Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit."

Gianluigi Buffon (Torhüter Italien, derzeit verletzt): "Jeder hatte den Wunsch und den Traum, aufzusteigen. Aber wir haben es nicht geschafft und es ist unser Fehler. Die Slowakei und Neuseeland sind Teams, die wir respektieren müssen, aber nicht mehr. Wenn man gegen keines der beiden gewinnen kann, ist es richtig, wenn man nach Hause fährt. Wir müssen analysieren, was hier passiert ist."

("Die Presse", Printausgabe vom 25. Juni)

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