Ein Comeback für die Ewigkeit

Der Kreis schließt sich: Tiger Woods jubelt in Augusta.
Der Kreis schließt sich: Tiger Woods jubelt in Augusta. REUTERS
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Nach elf Jahren gewann Tiger Woods wieder ein Major – ein unbegreiflicher Kraftakt. Viele Jahre war er mehr mit Verletzungen, Sexskandalen und seiner Medikamentensucht beschäftigt.

New York. Es können einem schon die Superlative ausgehen, wenn man zu beschreiben versucht, was da im Augusta National Golf Club passiert ist. „The Return to Glory“: So beschrieben viele TV-Kommentatoren den Moment, als Tiger Woods am 18. Loch, das er nur mehr auf Sicherheit zu spielen brauchte, den letzten Ball versenkte. Der beste Golfer aller Zeiten brüllte mehrmals laut auf, er wusste genau: Er hat etwas erreicht, was kaum noch jemand für möglich gehalten hätte.

Kurz später hielt Woods seine Kinder, die elfjährige Sam und den zehnjährigen Charlie, im Arm. Sam war ein Baby gewesen, Charlie noch nicht auf der Welt, als der Amerikaner 2008 seinen letzten großen Titel feierte. Dass ihr Vater einer jener Athleten ist, die über ihre Sportart hinaus zu den größten der Geschichte zählen, wissen sie nur von Erzählungen. Erlebt haben sie in den vergangenen zehn Jahren einen zwischenzeitlich gebrochenen Mann, der seine Ehe zerstörte, von Medikamenten abhängig ist und mehr Zeit mit der Physiotherapie nach schwerwiegenden Operationen als auf dem Golfplatz verbrachte.

Umso bedeutender, umso unbegreiflicher ist dieser 15. Sieg bei einem Major-Turnier. Woods musste sich diesen Triumph hart erarbeiten. In seinen 20ern dominierte er den Golfsport wie noch nie jemand zuvor. Stets spielte er vorn weg, niemand zweifelte an seiner Alleinstellung, schon gar nicht er selbst. Unvergessen die U.S. Open im Jahr 2000, die er mit dem Rekordvorsprung von 15 Schlägen gewann. In Augusta lief alles anders. Erst am Schlusstag beim zwölften Loch ging Woods erstmals in Führung, am Ende siegte er hauchdünn mit einem Schlag vor Brooks Koepka, Dustin Johnson und Xander Schauffele.

Es ist der Höhepunkt eines Comebacks wie aus dem Bilderbuch. Es war zu Thanksgiving 2009, als die damalige Welt des Tiger Woods mit einem Schlag zusammenbrach und die Nummer eins der Golfwelt die Schläger lange Zeit an die Wand hängen musste. In jener verhängnisvollen Nacht kam seine damalige Frau, das schwedische Model Erin Nordegren, dahinter, dass Woods sie jahrelang betrogen hatte. Mit einem Golfschläger jagte sie ihn aus der gemeinsamen Luxusvilla nahe Orlando in Florida. Woods sprang in sein Auto, rammte einen Hydranten und fuhr gegen einen Baum.

Er wurde ins Krankenhaus eingeliefert, gestand sich schließlich seine Sexsucht ein und ließ die Welt auch wissen, dass er medikamentenabhängig ist. Dutzende Frauen, von der Tochter der Nachbarn in Orlando bis zur Nachtclubbesitzerin in New York gaben an, Verhältnisse mit Woods gehabt zu haben. Und der Superstar selbst ließ wissen, dass er ohne schwere Schlafmittel schon viele Jahre nicht mehr schlafen konnte. Es folgten zahlreiche Therapien, die Scheidung von Nordegren und der mühsame Weg zurück, der von zahlreichen Verletzungen unterbrochen wurde. Unter anderem wurde Woods viermal am Rücken operiert, zuletzt im Jänner 2018.

Die letzte Rekordjagd

Heute scheint der 43-Jährige ein anderer Mann zu sein, geläutert und gereift. Er scheut sich nicht, über seine Schwächen zu sprechen, und gesteht sich ein, keineswegs der perfekte Liebling der Nation zu sein, als den ihn ganz Amerika bis zu jener Nacht im November 2009 hinstellte. Die Nation wiederum hat ihm vergeben, Woods ist heute womöglich populärer als je zuvor. Kaum ein US-Medium, das ihn nach seinem Sieg in Augusta nicht mit Lobeshymnen übergossen hat.

Nun, nach seinem Überraschungscoup, wartet die Golfwelt nur noch darauf, ob Woods den einzig wichtigen Rekord, der ihm noch fehlt, brechen wird. Drei Siege braucht er noch, um mit den 18 Major-Titeln von Jack Nicklaus gleichzuziehen. „Klar denke ich daran“, sagte Woods. Die längste Zeit an der Spitze der Weltrangliste – 683 Wochen, davon 281 Wochen ohne Pause – stand Woods ohnehin bereits. Auch seine Rückkehr dahin scheint nun nur eine Frage der Zeit zu sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2019)

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