Die Abwicklung von Auslieferungen vergleichbarer Fälle mit der Ukraine sei in der Regel unkompliziert, einen Termin gibt es noch nicht. Der Ex-Judoka, der wegen Missbrauchs angeklagt ist, war in Kiew verhaftet worden.
Wien. Die Auslieferung von Peter Seisenbacher aus der Ukraine dürfte eine Formsache sein. Das ist zumindest die Auskunft aus dem Justizministerium, das von einer guten Zusammenarbeit mit den ukrainischen Behörden berichtet. Die Abwicklung vergleichbarer Fälle wie jener des zweifachen Judo-Olympiasiegers, gegen den in Wien ein Strafverfahren wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen anhängig ist, erfolge in der Regel unkompliziert.
Die Ukraine bewilligt die Auslieferung ausländischer, zur Strafverfolgung ausgeschriebener Verdächtiger dann, wenn ihnen vom ersuchenden Staat strafbare Handlungen vorgeworfen werden, die mit mehr als einem Jahr Haft oder „schwerer Strafe“ bedroht sind. Das trifft auf Seisenbacher zu, der sich als Trainer in einem Wiener Judo-Verein an zwei Mädchen vergangen haben soll. Dafür sieht das Strafgesetzbuch einen Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren vor.
Ein weiteres Auslieferungshindernis wäre gegeben, wenn – wie es in einem Vorbehalt der Ukraine zum Auslieferungsübereinkommen heißt – die betreffende Person „im Hinblick auf ihren Gesundheitszustand nicht ohne Schaden für ihre Gesundheit ausgeliefert werden kann“. Hinweise auf eine Erkrankung oder schwerwiegende Beeinträchtigung des 57-jährigen Ex-Sportlers gibt es derzeit nicht.
Wie viel Zeit verstreichen wird, bis seitens der ukrainischen Behörden eine Entscheidung über das Wiener Auslieferungsersuchen vorliegt, ist unklar. Am Zug ist jetzt das Bezirksgericht Kiew-Petschersk, das vermutlich heute, Donnerstag, festlegen wird, ob Seisenbacher in Auslieferungshaft genommen wird. Diese Frage muss innerhalb einer Frist von 48 Stunden ab erfolgter Festnahme geklärt werden.
Flucht in die Ukraine
Seisenbachers Verteidiger Bernhard Lehofer glaubt, dass „relativ zügig“ entschieden wird, ob der Ex-Judoka den Wiener Behörden zur Strafverfolgung übergeben wird. Das Wiener Landesgericht für Strafsachen hat die entsprechenden Unterlagen bereits nach Kiew übermittelt. Auch für Lehofer war der Doppelolympiasieger seit vergangenem Dezember von der Bildfläche verschwunden, als Seisenbacher kurz vor seinem geplanten Prozess untertauchte.
Seisenbacher hatte sich bereits Wochen vor seinem Prozess-Termin nicht mehr in Aserbaidschan aufgehalten, wo er Trainer der Judo-Nationalmannschaft gewesen war. Er hatte sich nach Georgien begeben, ehe er am 14. Dezember – fünf Tage vor seiner Hauptverhandlung in Wien – nach Kiew flog. Seither hielt er sich durchgehend in der Ukraine auf.
Die Festnahme dürfte Seisenbacher völlig unvorbereitet getroffen haben. Als ein Spezialkommando der ukrainischen Polizei bei seiner Wohnung auftauchte und den internationalen Haftbefehl vollzog, war er nur mit einer Unterhose bekleidet. (APA)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2017)