Versuchskaninchen auf Abfahrtsski

Alpine Skiing - Men's Downhill Training
Alpine Skiing - Men's Downhill TrainingREUTERS
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Trotz gerissenen Kreuzbands wollte Carlo Janka beim Klassiker in Wengen an den Start gehen und so seine Olympia-Chance wahren. Das gewagte Experiment ist fürs Erste gescheitert.

Wien/Wengen. Mit 2,32 Sekunden Rückstand auf den Schnellsten, Adrien Theaux, kam Carlo Janka im abschließenden Abfahrtstraining in Wengen ins Ziel. Eine saubere Fahrt, kaum jemand würde vermuten, einen Skifahrer mit gerissenem Kreuzband gesehen zu haben. In den Stunden danach aber fiel die Entscheidung: Janka wird bei den Lauberhornrennen (Kombination: Freitag, 10.30/14 Uhr, Abfahrt: Samstag, 12.30 Uhr, jeweils live in ORF eins) nicht an den Start gehen. „Ich bin am Limit gefahren und immer noch weit von der Spitze weg“, meinte der Schweizer.

Doch schon seine beiden Trainingsläufe und die Tatsache, dass er den Start bei der längsten Abfahrt der Welt (4,48 km) in Betracht gezogen hat, gleicht einem Wunder. Vor nicht einmal drei Monaten, am 24. Oktober 2017, fünf Tage vor dem Saisonauftakt in Sölden, hat sich der Schweizer im Riesentorlauf-Training im Engadin bei einem Sturz („Ein blöder Fehler“) einen isolierten Kreuzbandriss im rechten Knie zugezogen. Die Faustregel bei solchen Verletzungen lautet: Operation, sechs Monate Pause, Saisonende.

Der 31-Jährige aus Obersaxen aber verzichtete auf einen Eingriff. Er ließ sich konservativ behandeln, schuftete in Krafträumen und bekam eine spezielle Knieschiene angepasst. Zuerst ging es auf die Langlaufloipe, dann, Mitte Dezember, stand er wieder auf Skiern.

Am Donnerstag bewältigte Janka Hundschopf, Minschkante und Kernen-S praktisch schmerzfrei, im Haneggschuss wurde er mit 141 km/h gemessen. Wengen, wo er drei seiner elf Weltcupsiege feierte und weitere fünf Stockerlplätze einfuhr, war seine erste und zugleich letzte Möglichkeit, noch den Sprung zu den Olympischen Spielen in Südkorea (9.–25. Februar) zu schaffen. Auf der Olympiapiste hatte er 2016 immerhin den Super-G gewonnen.

„Zu 99,9Prozent wusste ich, dass es sehr schwierig wird“, hatte er gegenüber der „Neuen Zürcher Zeitung“ erklärt. Mit Verletzungen kennt sich der Routinier aus. Auf seine frühen Erfolge (WM-Gold 2009, Olympiagold 2010, Gesamtweltcupsieg 2009/10) folgten Eingriffe am Rücken und am Herzen. Beim „Knie der Nation“ (Schweizer Zeitung „Blick“) zeichnete nun der in der Alpenrepublik bekannte, aber nicht gänzlich unumstrittene Therapeut Rolf Fischer für den raschen Heilungsprozess verantwortlich.

Auch Lindsey Vonn und Felix Neureuther haben schon versucht, nach Kreuzbandrissen ohne Operation auszukommen – beide scheiterten. Vonn verletzte sich 2013, fuhr zwar knapp drei Wochen später wieder Weltcuprennen, musste die Saison wenig später dann doch vorzeitig beenden. Neureuther hat im vergangenen Dezember einsehen müssen, dass eine Operation das Vernünftigste ist.

Janka hat es mit seiner Methode zurück auf die Abfahrtspiste geschafft, tatsächlich war beim Comeback weniger das Knie als vielmehr der Kopf die größte Herausforderung. „Das Vertrauen fehlt nach wie vor. Das ist sicher noch das Hauptproblem im Moment“, erklärte er.

Bei seinem Verzicht auf Wengen hat auch sein Verletztenstatus eine Rolle gespielt. Nimmt er diesen in Anspruch und fährt nicht in die Top15, droht der Absturz in der Startliste. „Ein großes Risiko“, gab er zu und stellte klar: „Wenn ich mich für einen Start entscheide, geht es um das Resultat und nicht darum, möglichst sicher den Berg herunterzufahren. Wenn ich nicht fühle, dass die vorderen Plätze möglich sind, werde ich nicht an den Start gehen.“

Kristallkugel mit Ablaufdatum

Die heutige Kombination wird nicht nur ohne Janka, den Sieger von 2015, sondern auch ohne Marcel Hirscher und Disziplinengesamtsieger Alexis Pinturault stattfinden. Die Topstars gönnen sich eine Pause, in der Ära der Spezialisten ist die alpine Kombination ohnehin zum Auslaufmodell geworden. Bezeichnend: Nach nur zwei Bewerben wird heute bereits die Kristallkugel vergeben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2018)

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