Jaromír Jágr: Abschied aus der NHL

Einst bejubelt, nun auf dem Abstellgleis: der ergraute Superstar Jaromír Jágr.
Einst bejubelt, nun auf dem Abstellgleis: der ergraute Superstar Jaromír Jágr.(c) USA Today Sports
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In zwei Wochen wird Jaromír Jágr 46 Jahre alt. In der besten Eishockeyliga der Welt ist er nicht mehr erwünscht, und auch die Olympischen Spiele wird der tschechische Volksheld wohl verpassen.

Calgary/Wien. Einerseits höflich, bisweilen auch launisch, zugleich zuvorkommend und egozentrisch – Jaromír Jágr wird durchaus widersprüchlich beschrieben, am 45-jährigen Tschechen scheiden sich die Geister. Zumindest in der Außendarstellung beweist die Eishockeylegende aber Sinn für Humor. Noch im Sommer, als er nach einer gar nicht so schlechten Saison bei den Florida Panthers (16 Tore, 30 Assists) wieder einmal auf Klubsuche war, rätselte der Flügelstürmer in den sozialen Medien, wieso kein General Manager eines NHL-Teams bei ihm anrufe, vor 25 Jahren hätten schließlich noch alle angerufen. Da hatte Jágr mit den Pittsburgh Penguins allerdings gerade zweimal in Folge an der Seite von Mario Lemieux den Stanley Cup geholt.

Irgendwann ist wohl doch ein Anruf eingelangt, für ein weiteres Jahr NHL tauschte der Altstar die Strände Floridas gegen den kanadischen Winter und heuerte bei den Calgary Flames an. Dort sollte er jungen Hoffnungsträgern wie Sam Bennett und Matthew Tkachuk zum Sprung an die Spitze verhelfen, außerdem hatten die Klubbosse mit seiner ungebrochenen Popularität kalkuliert, Stichwort Trikotverkauf. Dass Jágr seinen sportlichen Zenit längst überschritten hatte, war in Calgary bekannt, dennoch wurde sein Engagement eine Enttäuschung.

Seit seinem Debüt am 11. Oktober gelangen dem Angreifer in 22 Partien nur ein Tor und sechs Assists. Er kämpfte mit Verletzungen, stand meist nur in der vierten Linie. Er finde sich gerade in einer völlig neuen Rolle wieder, erklärte Jágr, er müsse sich erst anpassen, auch im Training. 2018 aber hat er überhaupt kein Spiel mehr bestritten, wegen einer nicht näher bestimmten Unterleibsblessur steht sein Name auf der Verletztenliste. Es hat ohnehin den Anschein, als sei der Neuzugang eher eine Last. Im Jänner haben die Flames ohne Jágr sieben Siege in Folge gefeiert und liegen auf Play-off-Kurs.

Zurück in die Heimat

Als Konsequenz hat Calgary seinen Altstar auf die Waiverliste gesetzt, wie üblich, wenn ein Team einen Spieler loswerden möchten. Bis Montagabend konnte er ohne Gegenleistung verpflichtet werden. Bei den Flames hatte Jágr für eine Million US-Dollar einen Einjahresvertrag unterschrieben, er wäre also billig zu haben gewesen (zum Vergleich: NHL-Topverdiener und Edmonton-Jungstar Connor McDavid bekommt 100 Millionen für acht Jahre). Dennoch blieb sein Telefon dieses Mal stumm. Er wird nun zum tschechischen Zweitligisten HC Kladno wechseln, seinem Heimatklub, dort ist er Miteigentümer.

Sein letztes NHL-Spiel hat Jágr somit am 31. Dezember 2017 bestritten, ein 4:3-Overtime-Heimsieg gegen die Chicago Blackhawks, bei dem er einen Schuss abgab und leer ausging. Obwohl er drei Saisonen für Omsk in der russischen KHL gespielt hat, hält er bei 1733 NHL-Partien, nur 34 weniger als "Mr. Hockey" Gordie Howe (1767), der diese Rangliste anführt. Mit 766 Toren und 1155 Assists (1921 Punkte) ist er hinter Wayne Gretzky (2857) der zweitbeste Scorer in der NHL-Geschichte, außerdem gehört er zum erlesenen Klub jener, die eine WM (2005), den Stanley Cup (1991, 1992) und Olympiagold (1998) gewonnen haben.

Der große Abwesende

Während Jágr, der fünfte Draftpick 1990, für neun verschiedene NHL-Klubs auflief – in Gedenken an den Prager Frühling stets mit Rückennummer 68 –, hat sich auch das Spiel verändert. Im modernen Eishockey sind weniger Größe und Kraft als Technik und Spielverständnis bei höchstem Tempo gefragt.

Mit eiserner Disziplin hielt Jágr bis zuletzt Anschluss, doch nun, 28 Jahre nach seiner ersten Saison, droht nicht nur ein unwürdiger Abschied aus Nordamerika, auch sein großes Ziel Olympia und damit seine insgesamt sechsten Spiele sind in Gefahr. Da sich die NHL weigert zu pausieren, fehlen die Stars der besten Liga der Welt beim Turnier in Südkorea (14.–25. Februar). Jágr ist dann zwar kein NHL-Profi mehr, der tschechische Volksheld und Fahnenträger von 2010 wurde aber nicht mehr für den Kader seines Heimatlandes nominiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2018)

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