Giro d'Italia: Radrennen im Heiligen Land

Radbegeisterung auf der Landstraße, der Giro d'Italia rollt durch Israel. Hier bahnt sich das Peloton den Weg von Haifa nach Tel Aviv
Radbegeisterung auf der Landstraße, der Giro d'Italia rollt durch Israel. Hier bahnt sich das Peloton den Weg von Haifa nach Tel AvivAPA/AFP/JACK GUEZ
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Erstmals in seiner Historie startet der Giro d'Italia nicht in der traditionsbehafteten Heimat, sondern im Ausland. Die 101. Auflage des Klassikers rollt für drei Etappen durch Israel.

Was verbindet Donald Trump und Mauro Vegni? Jerusalem! Der amerikanische Präsident lässt hier am 14. Mai, am israelischen Nationalfeiertag, die neue Botschaft der USA eröffnen und erkennt damit die Heilige Stadt offiziell als Hauptstadt Israels an. Und der Direktor des Giro d' Italia? Er ließ am 4. Mai in der King David Street 176 Radrennfahrer aus 22 Mannschaften von der Startrampe rollen. Beide Ereignisse sind ein globales Politikum.

Vegnis „Big Start Israel“ ist natürlich weniger brisant als Trumps Verlegung der diplomatischen Vertretung von Tel Aviv am 70. Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung Israels. Trotzdem, erstmals in seiner Geschichte startet Italiens Radklassiker nicht daheim, in seiner Tradition. Sondern weit weg von daheim, dem Kommerz Rechnung tragend.


Warum? 4,8 Millionen Euro. Der Startort der 101. Italien-Rundfahrt hieß ursprünglich West-Jerusalem. Ost-Jerusalem wird als Hauptstadt von einem künftigen Staat Palästina beansprucht. Die israelische Regierung stellte klar: „Im unteilbaren Jerusalem, der Hauptstadt Israels, gibt es kein Ost.“ Der Staat drohte umgehend den Giro-Organisatoren mit dem Entzug der Finanzierung von umgerechnet rund 4,8 Millionen Euro. Die Mailänder RSC, die offenbar aus Rücksicht auf die beiden arabischen Teams Bahrain-Merida und UAE Emirates die Stadt geteilt hatte, strich daraufhin einfach das „West“. Das logistische Problem ist für die Italiener das größere als das politische.

Nun ist es seit Jahrzehnten Praxis der beiden großen Drei-Wochen-Rundfahrten Giro d'Italia und Tour de France, in der Fremde gigantische Auftaktfestivals zu inszenieren. Die „Messieurs“ in Paris hatten während des Armstrong-Booms sogar überlegt, das Peloton auf der 5th Avenue in New York losfahren zu lassen. Es war nur so eine Idee. Es ging schon in England los, in Irland, Deutschland. Beim „Le Grand Depart“ gibt es eben diese große Geschichte. 1954 gelang der erste Start im Ausland, in Amsterdam. Ob Athen, Belfast, London oder zuletzt Düsseldorf. Aber im Giro? Der Auftakt in Israel ist der erste dieser „Grand Tour“.


Ab Montag in Italien. „La Grande Partenza“ im Ausland, wie es die Italiener für sich formulieren, das ist für Rundfahrt-Veranstalter letztendlich immer ein Millionen-Geschäft. Mega-Events über das Wochenende, die Städte sind wahlweise auszutauschen. Im Fall Israels ist der aus Kanada eingewanderte Immobilien-Milliardär Sylvan Adams der „Big Spender“. Der große Zahlmeister finanziert nach Informationen des Rennrad-Magazins „Tour“ weitgehend die drei Etappen im Heiligen Land, das Zeitfahren in Jerusalem (9,7 km), die Etappen Haifa–Tel Aviv (167 km) und Be'er Sheva–Eilat (229 km). Adams ist zudem auch Sponsor des Israel Cycling Teams, des ersten und einzigen Profiteams aus dem jüdischen Staat, das mit einer Wild Card beim Giro unterwegs ist. Erst am „Ruhetag“, am Montag, hebt der komplette Tross in Chartermaschinen nach Sizilien ab.

Ansonsten läuft auch bei diesem Speichen-Spektakel alles wie gewohnt seine Tour mit den üblichen Verdächtigen. Christopher Froome, 32, ist erstmals wieder seit seinem Debüt 2010 dabei. Der Griff des viermaligen Tour-Siegers nach dem Rosa Trikot – 1931 wurde das Rosa Trikot als charakteristische Farbe des begleitenden Mediums „Gazzetta dello Sport“ als Symbol des Führenden eingeführt – birgt allerdings gewaltigen Doping-Zündstoff. Nach dem positiven Test, der einen weit überhöhten Wert für das Asthmamittel Salbutamol bei seiner siegreichen Vuelta 2017 aufdeckte, wird der Star des britischen Teams Sky von einem Verfahren über eine drohende Sperre begleitet. Aber, wie so oft im modernen Sport, Gerichte folgen ihrer eigenen Zeitrechnung. Erst nach dem Ende des Giro wird am 27. Mai in Rom das Anti-Doping-Tribunal des Radsport-Weltverbandes UCI über den brisanten Fall entscheiden.

Froome geriet nach einem Sturz beim Einfahren außer Tritt. Er wurde nur 21. im Zeitfahren.


Verfolger und Helfer. Sein Ehrgeiz gilt freilich weiterhin dem „Triple“, nach Tour und Vuelta seine Trophäensammlung mit dem Giro zu vervollständigen, sogar in direkter Reihenfolge. Froome twitterte: „Es ist ein elementares Risiko, sich vor der Tour auf den Giro zu konzentrieren. Aber ich würde es für den Rest meines Lebens bereuen, es nicht versucht zu haben.“ Vorjahressieger Tom Dumoulin, der Holländer des mit deutscher Lizenz ausgestatteten Teams Sunweb, und der Italiener Fabio Aru (UAE Team Emirates), Giro-Zweiter und Vuelta-Sieger 2015, sind seine größten Rivalen.

Tony Martin (Team Katusha Alpecin), schärfster Kritiker der Causa Froome, hat eine ähnlich spärliche Beziehung zum Giro wie der Brite. Auch der 33-jährige Cottbuser mit Wohnsitz in der Schweiz steht erst zum zweiten Mal beim Giro am Start. Die Premiere liegt zehn Jahre zurück. Nach fünf Etappensiegen bei der Tour und zwei bei der Vuelta setzt der Zeitfahr-Weltmeister jetzt auf einen Giro-Hit.

Auch drei Österreicher sind beim Giro unterwegs. Das Bora-Team verzichtete auf Vorjahres-Etappensieger Lukas Pöstlberger (krank), im Aufgebot der Mannschaft stehen aber Patrick Konrad und Felix Großschartner. Zum dritten Mal in Serie ist der Steirer Georg Preidler für Groupama als „Helfer“ im Einsatz.

Giro-Daten

500 Fahrzeuge
umfasst der Giro-Tross 2018, 22 Teams sind unterwegs.

230 Kilometer
warten am Sonntag, bei 40 Grad geht es durch die Wüste von Beerscheva bis Eilat.


27,6Millionen Euro
lässt sich Israel nach Angaben des Tourismusministers diese Rad-Show kosten. Zum Vergleich: Der dreitägige Grand Départ der Tour kostete Düsseldorf im Vorjahr die Hälfte.


800 Rennmaschinen,
also Fahrräder, gilt es am Montag von Eilat ins 2000 Kilometer entfernte Cantania auf Sizilien zu bringen. Nebst 22.000 Laufrädern, alles per Luftfracht. Vier Passagier- und drei Frachtflugzeuge heben ab.


2. Etappe
Elia Viviani (ITA) siegte im Massensprint. Der Spezialist (Quick-Step-Team) setzte sich nach 167 Kilometern von Haifa nach Tel Aviv durch. Der Australier Rohan Dennis (Team BMC) trägt das Rosa Trikot.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2018)

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