Tour de France: Der unheimliche Triumphzug

Im Gelben Trikot dominiert Geraint Thomas das Tour-Geschehen, Teamkollege Chris Froome lauert dahinter.
Im Gelben Trikot dominiert Geraint Thomas das Tour-Geschehen, Teamkollege Chris Froome lauert dahinter.APA/AFP/JEFF PACHOUD
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Die Tour de France bot bisher viel Spektakel, am Ende aber jubelte stets die britische Sky-Mannschaft. Die Konkurrenz scheint chancenlos, die Fans reagieren zunehmend verärgert.

Bourg d'Oisans/Wien. Geraint Thomas, der Mann im Gelben Trikot, oder doch der Titelverteidiger und erste Verfolger Chris Froome? Bei der Tour de France interessiert nach 13 von 21 Etappen nur noch der Kampf der beiden Mannschaftskollegen um den Gesamtsieg. Das Team Sky dominiert einmal mehr die Frankreich-Rundfahrt. Egal, welche Schwierigkeiten die Veranstalter einbauen, Kopfsteinpflaster oder noch so extreme Klettereien im Hochgebirge – am Ende liegen die Briten voran.

Der Konkurrenz ist dabei wenig vorzuwerfen, sie haben es immerhin versucht. Nur gingen alle Attacken ins Leere. Tom Dumoulin, der Gesamt-Dritte aus den Niederlanden, scheiterte ebenso wie Romain Bardet oder der tapfere Mikel Nieve, den das Sky-Duo in La Rosière auf den letzten Metern stellte. Am beeindruckendsten wurde aber die Movistar-Mannschaft neutralisiert. Zu dritt attackierte das hochkarätig besetzte spanische Team, Nairo Quintana, Mikel Landa und Alejandro Valverde, drei der stärksten Profis im Feld, hatten einen gemeinsamen Plan und blieben dennoch chancenlos. Wer soll sich da noch ein Herz nehmen, zumal Vincenzo Nibali, der Toursieger 2014, nach dem Anstieg hinauf nach Alpe d'Huez mit einem Wirbelbruch aufgeben musste? Bleibt nur noch die Frage, wie nun die Teamhierarchie bei Sky geregelt ist und ob Thomas seinem Kapitän Froome die Treue halten wird.

Die Radfans sind alles andere als begeistert, wie der britische Rennstall den Rest des Feldes in Grund und Boden fährt. Titelverteidiger Froome wurde bei den Bergetappen beschimpft, bespuckt und geschubst – jenen „Fan“, der ihn angeblich gestoßen hatte, hat die französische Polizei in Handschellen abgeführt –, Thomas wird bei den Siegerehrungen ausgebuht. „Wenn die Leute Sky nicht mögen, ist das in Ordnung. Buht, soviel ihr möchtet, aber beeinflusst nicht das Rennen“, ließ Thomas die Radfans wissen.

Deren Ärger beruht nicht nur auf der aktuellen Sky-Dominanz. Bei der Gründung 2009 präsentierten sich die Briten als große Saubermänner, mit der Zeit aber wuchs die Skepsis. Der britische Sportausschuss stellte fest, das medizinische Ausnahmegenehmigungen missbraucht wurden, es gab ominöse Medikamentenlieferungen und im Herbst des Vorjahres hat der vierfache Toursieger Froome einen positiven Dopingtest (Asthmamittel Salbutamol) abgeliefert. Rechtzeitig zur Frankreich-Rundfahrt wurde der 33-Jährige freigesprochen, nun nimmt er das Double von Giro d'Italia und Tour de France in Angriff, das zuletzt Marco Pantani vor 20 Jahren gelang.

Bis es am Dienstag ins Zentralmassiv und danach in die Pyrenäen geht, dürfte aber Thomas das Gelbe Trikot behalten. Der 32-jährige Waliser war jahrelang Froomes loyaler Helfer, selbst nach seinem Sieg auf der Königsetappe erklärte er pflichtbewusst: „In meinen Augen ist Froomey immer noch unser Anführer.“

Nur ein Lippenbekenntnis?

Im Anstieg hinauf nach Alpe d'Huez hatte er seinen Kapitän zuvor allerdings stehen gelassen und ihm dank der Zeitbonifikation weitere zehn Sekunden abgenommen. Düpiert vom Edelhelfer weigerte sich der viertplatzierte Froome, mit den Medien zu sprechen.

Thomas würde jedenfalls nicht unvorbereitet auf den Gesamtsieg losgehen. Wäre das Dopingverfahren gegen Froome nicht wenige Tage vor dem Auftakt der Tour von Welt-Anti-Doping-Agentur und Radsportverband UCI eingestellt worden, wäre er in Frankreich der Sky-Kapitän gewesen. Die Veranstalter wollten schließlich ein Startverbot gegen Froome verhängen, wie „Le Monde“ berichtete.

Froome kommt zugute, dass er sich schon in einer ähnlichen Situation befand wie sie nun Thomas meistern muss. 2012 war Froome stärker als sein damaliger Sky-Kapitän Bradley Wiggins, beugte sich aber der Teamorder und verhalf Wiggins zum Toursieg. Er kam als Zweiter nach Paris, ein Jahr später sollte seine Regentschaft bei der Tour beginnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2018)

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