Die Fuchsjagd in luftigen Höhen

Der frühe Vogel fängt den Wurm: Schon bei Sonnenaufgang ist der Himmel rund um Groß-Siegharts bunt gefärbt, wegen der Thermik fällt der Startschuss für die ersten Wettfahrten um sechs Uhr.
Der frühe Vogel fängt den Wurm: Schon bei Sonnenaufgang ist der Himmel rund um Groß-Siegharts bunt gefärbt, wegen der Thermik fällt der Startschuss für die ersten Wettfahrten um sechs Uhr.(c) Biedermann Andreas
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Ballonsport: Über 100 Teams fahren bis Samstag im Waldviertel einen neuen Weltmeister aus. Was aber unterscheidet einen guten von einem Weltklasse-Ballonfahrer?

Groß-Siegharts. Merkwürdige Kreuze säumen dieser Tage die Felder und Lichtungen des nördlichen Waldviertels. Vom Boden aus sind sie nicht wirklich erkennbar, wohl aber aus der Luft, von den Körben der rund 150 Heißluftballons, die jeden Morgen und jeden Abend ihre Runden um Groß-Siegharts drehen. Während das Ballonfahren gerne mit Genuss, Hobby und Abenteuer, mit Stille und außergewöhnlichen Perspektiven auf die Welt da unten verbunden wird, ist es längst auch ein professioneller Sport, der als solcher alle zwei Jahre seinen Weltmeister kürt. 2014 in Brasilien, 2016 in Japan und heuer eben in Niederösterreich.

Die ominösen Kreuze sind dabei wenig überraschend Zielpunkte, die von 105 Teilnehmern aus 35 Nationen auf ihren Wettfahrten angesteuert werden. Wobei der Begriff „steuern“ so nicht ganz stimmt, denn die 25 Meter hohen, mit heißer Luft gefüllten Ungetüme sind gar nicht wirklich steuerbar. Beim Start weiß man etwa noch gar nicht, wo man am Ende landen wird. Die einzige Möglichkeit, Richtung zu machen, ist, den Wind in den verschiedenen Höhenlagen richtig einzuschätzen und sich durch Steigen oder Sinken – das geht natürlich schon – in jene Luftschicht zu begeben, in der die gewünschte Windrichtung herrscht. Gerade im hügeligen Waldviertel nicht die einfachste Aufgabe und immer auch mit ein wenig Glück verbunden.

Das war zuletzt vor allem den Schweizern wohlgesinnt. Der Himmel über dem Waldviertel ist bei dieser WM fest in der Hand der Eidgenossen, gleich drei Schweizer Piloten haben sich nach der Hälfte der Wettfahrten unter den Top fünf platziert. Der Gesamtführende, Stefan Zeberli, aus Gossau hat dabei weniger mit Tagessiegen als mit beeindruckender Konstanz gepunktet. Die letzte Wettfahrt vor der Halbzeit, ein sogenannter Hesitation Waltz (Qual der Wahl), bei der die Piloten eines von mehreren Zielen auswählen und ihren Marker dort möglichst nah abwerfen, hat der Brite Mike Howard, im Beruf Airline-Pilot in Dubai, gewonnen. Weniger erfolgreich lief es für die Lokalmatadore, der Steirer Helmut Pöttler ist mit Zwischenrang 13 der derzeit aussichtsreichste rot-weiß-rote Beitrag.

Nur was macht überhaupt einen Weltklasse-Ballonfahrer aus? Es ist vor allem die Erfahrung, erklärt Werner Norbert bei einer Ausfahrt von Groß-Siegharts Richtung Süden nach Merkenbrechts. Mit gemütlichen 20 km/h (40 km/h gelten als flott) geht es erst in 1500 Meter Seehöhe über den Wald, dann nur wenige Zentimeter über ein Kukuruzfeld hinweg. Der 70-Jährige vom 1. Waldviertler Ballonfahrer-Klub, mit rund 600 absolvierten Fahrten ein erfahrener Mann, ist einer von 45 sogenannten Fiesta-Fahrern bei dieser WM, die vor oder nach dem Hauptfeld außer Konkurrenz starten dürfen.

Er weiß, dass die Besten der Welt wie sonst kaum jemand über Höhenwinde und Luftschichten Bescheid wissen. Dazu komme der Faktor Material. Ein herkömmlicher Ballon (Kostenpunkt 40.000 Euro) steigt mit drei oder vier Metern pro Sekunde, die wesentlich kleineren Wettkampfballons mit Volumen um etwa 2000 Kubikmeter mit bis zu zehn Metern pro Sekunde.

Ein Teamsport, zumindest am Boden

Spätestens am Samstagmorgen wird der neue Ballon-Weltmeister feststehen, Preisgeld gibt es keines. Bis dahin sind noch zahlreiche Fahrten zu absolvieren, wohl auch das beliebte „Hare and Hound“, die „Fuchsjagd“. Der zum Fuchs ernannte Pilot erhält einen Vorsprung, landet irgendwo und legt ein Zielkreuz aus, das die Verfolger möglichst genau markieren müssen.

Einer der spannendsten Wettkämpfe im beachtlichen Programm, das die 150 Teams abspulen. Täglich fällt frühmorgens um sechs Uhr in Form einer grünen Flagge der Startschuss für die ersten Wettfahrten, Runde zwei folgt ab 18 Uhr. Dazwischen heißt es aufbauen, abbauen, betanken, Wetter und Wind studieren sowie an den Briefings der Wettkampfleitung teilnehmen. Für einen einzelnen Piloten ist das nicht zu schaffen, allein um den Ballon startklar zu machen, braucht es mehrere Helfer. Und irgendjemand muss einen nach der mehr oder weniger sanften Landung – so ein Korb kann durchaus kippen – ja wieder von einem dieser Äcker mit den Kreuzen einsammeln.

23. HEISSLUFTBALLON-WM

Groß-Siegharts, eine 2700-Einwohner-Gemeinde im nördlichen Waldviertel, ist eine Woche lang das Zentrum des internationalen Ballonsports. Noch bis Samstag kämpfen 105 Teams aus 35 Nationen in zahlreichen Wettfahrten, bei denen meist ein Zielort punktgenau anzusteuern ist, um den WM-Titel. Highlight auf dem zwölf Hektar großen Veranstaltungsgelände ist am Freitagabend die „Nacht der Ballone“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2018)

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