Radsport: Das höllisch steile WM-Finale

Die Rad-WM in Tirol: Speichenspektakel vor spektakulärer Kulisse mit steilen Anstiegen und rasanten Abfahrten.
Die Rad-WM in Tirol: Speichenspektakel vor spektakulärer Kulisse mit steilen Anstiegen und rasanten Abfahrten.(c) APA/EXPA/REINHARD EISENBAUER
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Die Titelkämpfe in Tirol erreichen ihren Höhepunkt. Kapitän Patrick Konrad sieht sich gewappnet für die Qualen der Höttinger Höll. Martina Ritter erlebte jedoch einen Schreckmoment.

Innsbruck. Die Absperrgitter im Zentrum Innsbrucks sind untrügliche Hinweise auf die Rad-WM, die an diesem Wochenende mit den Straßenrennen ihrem Höhepunkt entgegensteuert. Am Freitag prägten bei strahlendem Sonnenschein zunächst noch Hobbyfahrer und Leihräder das Stadtbild, entlang der Zieleinfahrt bei der Hofburg legten Fans in kompletter Rennmontur teilweise auch ein höheres Tempo an den Tag. Am Nachmittag gehörte die Bühne dann ganz den U23-Fahrern, Gold ging an den Schweizer Marc Hirschi. Als bester Österreicher wurde Marcel Neuhauser 28.

Die Elitefahrer erwartet am Sonntag (9.30 Uhr, live in ORF eins) vor prognostizierten 100.000 Zuschauern der Härtetest. 4670 Höhenmeter und damit die zehntmeisten in der WM-Geschichte sind auf 258,5 km zu absolvieren, ähnlich anspruchsvoll war das Straßenrennen zuletzt vor 22 Jahren in der Schweiz. Vom Start weg in Kufstein geht es siebenmal über die Olympiarunde, ehe der Schlussanstieg mit bis zu 28 Prozent Steigung, dafür ist eine Spezialübersetzung nötig, endgültig die Spreu vom Weizen trennen soll. „Die Höttinger Höll so kurz vor dem Ziel und nach 250 km ist etwas sehr Spezielles“, sagt Patrick Konrad, der die Stelle inzwischen bestens kennt. „Da muss man richtig in die Pedale treten, damit man hinaufkommt.“ Hobbyfahrer dürfen die Qualen der Profis auch selbst erleben und am Samstag im Rahmen eines Jedermann-Rennens um den Titel „Queen and King of Höll“ rittern.

Am Sonntag soll ÖRV-Kapitän Konrad von Gregor Mühlberger, der notfalls übernehmen würde, Lukas Pöstlberger, Felix Großschartner, Michael Gogl und Georg Preidler möglichst schonend zur Höll gebracht werden. „Ich weiß, was ich kann, und dass ich mich auf die Kollegen verlassen kann“, betont der 26-Jährige, für den es „eines der wichtigsten Rennen meiner Karriere“ ist. Die rot-weiß-rote Taktik ist fixiert und geht von einer Selektion schon vor der Schlüsselstelle aus. „Da werden die Nationen draufsteigen, dass die Fetzen fliegen“, ist ÖRV-Teamchef Franz Hartl überzeugt und sieht Konrad, der heuer als Giro-Siebenter und zuletzt mit zwei Top-Ten-Plätzen auf der World Tour aufgezeigt hat, gewappnet. „Er kann im Finale mitgehen.“

Im Frauenbewerb greift am Samstag (zwölf Uhr, live in ORF eins) Zeitfahrweltmeisterin Annemiek van Vleuten nach dem zweiten Gold, schärfste Konkurrentinnen sind ihre niederländischen Landsfrauen. ÖRV-Kapitänin Martina Ritter hatte auf der letzten Trainingsfahrt einen unliebsamen Zwischenfall. „Auf dem Radweg bei Pill ist ein älterer Herr in mich geknallt“, berichtete die Niederösterreicherin, die mit Schulter, Ellbogen und Knie auf dem Boden aufprallte. „Ich habe gespürt, dass es nicht optimal ist, aber schlechter als meine Bandscheiben kann es nicht sein.“ Neben Ritter gehen Staatsmeisterin Sarah Rijkes und die vom Mountainbike kommende Angelika Tazreiter auf den 156,2 Kilometer langen Kurs.

Der Teufel wartet auch in Innsbruck: Didi Senft, der bekannteste Radfan der Welt.
Der Teufel wartet auch in Innsbruck: Didi Senft, der bekannteste Radfan der Welt. (c) APA/EXPA/REINHARD EISENBAUER

Heimspiel für den Teufel

Während die Fahrer die steile Höll fürchten, ist es für Didi Senft die beste Stelle. Der „Tourteufel“ ist selbstverständlich auch in Innsbruck dabei, wenn der Einzelweltmeister gekürt werden wird. Seit 1993 ist der Deutsche im Radzirkus unterwegs, wo immer er auftaucht, ist ihm Aufmerksamkeit gewiss. Senft ist eine Art WM-Botschafter, „ich bin den ganzen Tag nur in meinem Kostüm“, verrät der gebürtige Berliner. Der 66-Jährige hält 20 Weltrekorde für die ausgefallensten Radkreationen, sein Museum aber musste er wegen ausbleibender Kundschaft schließen. Stattdessen beehrt er Rennen, und zur Höll musste er einfach kommen. Es ist quasi sein Heimspiel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2018)

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