Jährlich purzeln bei dem Super Bowl Rekorde, Football ist in den USA ein TV-Event – doch der Glanz lässt nach.
New York. Keine Sorge, es gibt noch Karten, zur Genüge sogar. Alles eine Mär, wonach es so gut wie unmöglich sei, Tickets für den Super Bowl zu bekommen. Wenn heute die New England Patriots auf die Los Angeles Rams (0.30 Uhr, live Puls4, Dazn) treffen, werden voraussichtlich um die 100 Millionen Amerikaner ihren Fernseher einschalten, während mehr als 70.000 im Stadion in Atlanta dabei sein werden. Und, wie gesagt, jeder, der will, kann dem wichtigsten US-Sportereignis des Jahres ebenfalls beiwohnen. Es ist alles nur eine Frage des Geldes.
Auf der zu eBay gehörenden Plattform StubHub werden die heißbegehrten, offiziell zertifizierten Eintrittskarten angeboten. Etwa eine kleine Suite für läppische 266.750 Dollar oder ein Sitzplatz im unteren Rang, Reihe 26, für 27.000 Dollar. Zu teuer? Ganz oben hinter einer der Endzonen, in der Touchdowns zelebriert werden, kostete eines der Tickets Donnerstagabend 10.329 Dollar. Und im äußersten Eck, ebenfalls ganz oben, war die günstigste Karte noch für 2519 Dollar zu ergattern. Fernglas war keines inkludiert.
Die Brady-Show. Dass die Restkarten teuer sind, hat natürlich seinen Grund. Der Super Bowl ist für Amerikaner nicht irgendein Spiel, der erste Sonntag im Februar – da findet das Ereignis stets statt – ist ein inoffizieller Feiertag. Jede Bar zeigt das Match, überall im Land finden Partys statt, und wer tatsächlich einmal live im Stadion dabei war, hebt sich diese Eintrittskarte wohl auch sein Leben lang auf. Wenn das Spektakel nun zum 53. Mal über die Bühne geht, geht es natürlich wieder auch um Rekorde, wie sich das im weltmächtigsten Land eben gehört.
Gewinnen die New England Patriots und feiern ihren sechsten Titel, ziehen sie mit den Pittsburgh Steelers gleich. Öfter hat keine Mannschaft in der National Football League gewonnen. Gehen die krassen Außenseiter, die Los Angeles Rams, als Sieger vom Platz, wäre dem Chefcoach, Sean McVay, ein Eintrag in die Geschichtsbücher sicher. Mit 33 Jahren ist er ohnehin bereits der jüngste Chefcoach, der jemals ein Team ins Endspiel führte. Er ist auch um acht Jahre jünger als der Superstar des Abends, Tom Brady von den Patriots, der dann als erster Quarterback sechs Super Bowl-Ringe tragen könnte.
Auch wenn die Begeisterung in den USA rund um dieses Spiel nach wie vor riesig ist – ein wenig hat das Tamtam um das Spektakel nachgelassen. 103,4 Millionen Zuseher schalteten im Vorjahr den Fernseher ein, um sieben Prozent weniger als 2017. Gut möglich, dass es heuer nicht einmal 100 Millionen sein werden. Die Kontroverse um kniende Spieler und den damit verbundenen Aufruf zum Boykott durch Präsident Donald Trump hat tiefe Spuren hinterlassen. Sieger gibt es in dem Streit keinen, am Ende verlor vor allem der Sport. Neun der zehn meist gesehenen TV-Sendungen aller Zeiten in den USA sind aber Super Bowl-Spiele.
Viele Absagen. Der Schatten dieser Debatte wird auch am Sonntag über Atlanta hängen. Mehrere Superstars, von Jay-Z bis Rihanna, sollen für die Halbzeitshow abgesagt haben, aus Protest gegen den Umgang mit Colin Kaepernick. Der einstige Quarterback der San Francisco 49ers war der erste, der sich während der Nationalhymne aus Protest gegen Polizeigewalt gegen Schwarze hinkniete, was ihm auch Kritik von Liga-Chefs einbrachte. Hauptakt der Halbzeitshow wird nun „Maroon 5“ sein. Bei allem Respekt, das ist nicht gerade der größte Name im globalen Musikgeschäft. Im Vorjahr trat Justin Timberlake auf, vor zwei Jahren Lady Gaga, irgendwann auch einmal Bruce Springsteen und die Rolling Stones.
Allerdings, wenn das so weiter- geht, werden die Tickets 2020 vielleicht noch billiger.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2019)