Radeln für den Brexit-Fan

Die traditionelle Fahrt ans Mittelmeer: Mailand-San Remo.
Die traditionelle Fahrt ans Mittelmeer: Mailand-San Remo.REUTERS
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Rechtzeitig zur Klassikersaison wurde bekannt, dass der reichste Brite den erfolgreichsten Rennstall der Welt gekauft hat.

Mailand/London/Wien. Mit der 110. „Fahrt in den Frühling“ startet der Radsport am Samstag in die Klassikersaison. Die 291 Kilometer von Mailand nach San Remo (ab 14.30 Uhr, live, Eurosport 2) sind nicht als das packendste aller Eintagesrennen bekannt, so richtig los geht es schließlich erst am berühmten Poggio di Sanremo, einem 3,7 Kilometer langen Anstieg, an dessen Ende nur noch gut fünf Kilometer hinab ins Ziel warten. Doch das Fahrerfeld ist hochklassig. Zu den Favoriten zählen Titelverteidiger Vincenzo Nibali, die Weltmeister Peter Sagan und Alejandro Valverde, Olympiasieger Greg Van Avermaet und Tour-de-France-Bergkönig Julian Alaphilippe, dessen Rennstall Deceuninck-Quick-Step in dieser noch jungen Saison bereits 18 Siege eingefahren hat.

Zum letzten Mal auf den Weg ans Mittelmeer macht sich das Team Sky, der zuletzt erfolgreichste Rennstall der Welt. Sechs der jüngsten sieben Auflagen der Tour de France hat das britische Team gewonnen (viermal Christopher Froome, je einmal Bradley Wiggins und Geraint Thomas). Ab Mai, also auch schon beim Giro d'Italia (ab 11. Mai), wird der 2009 gegründete Rennstall dann unter dem neuen Namen Ineos an den Start gehen.

Auf Einkaufstour

Ineos ist das Chemie-Unternehmen von Jim Ratcliffe, der „Sunday Times“ zufolge mit einem Privatvermögen von 21 Milliarden Pfund (24,4 Mrd. Euro) der aktuell reichste Brite. Nachdem der Medienkonzern Sky im Dezember seinen Rückzug aus dem Radsport bekannt gegeben hatte – die Briten waren gerade vom US-Kabelriesen Comcast übernommen worden –, hat Ratcliffe zugeschlagen, rechtzeitig zu den Klassikern wurde sein Engagement nun offiziell.

Der 66-Jährige, erst vor wenigen Monaten zum Ritter geschlagen, befindet sich ohnehin gerade auf Einkaufstour in der Sportwelt. Mit 126 Millionen Euro unterstützt er etwa den vierfachen Segel-Olympiasieger Ben Ainslie bei dessen Projekt America's Cup 2021. Außerdem soll sich Ratcliffe für den Premier-League-Klub FC Chelsea interessieren (Besitzer Roman Abramovich ist offenbar gesprächsbereit, weil Großbritannien sein Visum nicht verlängert hat).

„Der Radsport verbindet Ausdauer und Taktik und erfreut sich rund um die Welt immer größerer Beliebtheit“, erklärte Ratcliffe. Seine neueste Anschaffung ist aber alles andere als unumstritten. So wurden bei Sky-Kapitän Chris Froome im September 2017 erhöhte Salbutamol-Werte registriert. Von der Welt-Antidoping-Agentur wurde der Brite freigesprochen, ein zweifelhafter Ruf begleitet ihn dennoch. Auch die Praktiken bei den Ausnahmegenehmigungen für Bradley Wiggins waren zweifelhaft. Es folgte eine Untersuchung durch das britische Parlament, das britische Sportministerium erhob schwere Vorwürfe gegen Sky.

Verärgerte Landsleute

Doch Ratcliffe ist kein Mann, der Kontroversen scheut. Ausgerechnet der prominente Brexit-Befürworter arbeitet daran, seinen Wohnsitz nach Monaco zu verlegen, berichtet „Sunday Times“. Der Grund: eine Steuerersparnis von vier Mrd. Pfund (4,65 Mrd. Euro).

Wie sehr die Briten darüber verärgert sind, wird sich am 2. Mai zeigen. Dann präsentiert sich das Team Ineos bei der Tour de Yorkshire erstmals der Radsportwelt. Im Peloton fürchtet man, dass der ohnehin schon reichste Rennstall (40 Mio. Euro Budget) dank Ratcliffe der Konkurrenz endgültig enteilen könnte.

Auch in San Remo fährt Ratcliffes Truppe um den Sieg, Skys polnischer Klassikerspezialist Michał Kwiatkowski gewann „La Primavera“ im Jahr 2017.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2019)

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