Der Branchenkrösus schlägt zurück

Die Ineos-Mannschaft gibt das Tempo vor – ein gewohntes Bild.
Die Ineos-Mannschaft gibt das Tempo vor – ein gewohntes Bild.(c) REUTERS (GONZALO FUENTES)
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Spät, aber doch hat das Ineos-Team einmal mehr seine Dominanz untermauert. Unumstritten sind der britische Rennstall und sein Besitzer aber nicht.

Paris. Sollte es auf der letzten Etappe nach Paris nicht noch mit dem sprichwörtlichen Teufel zugegangen sein, stellt der Ineos-Rennstall, vormals Team Sky, die ersten beiden Fahrer des Gesamtklassements der Tour de France. Egan Bernal gewann vor Geraint Thomas, ein Doppelsieg also, der erste der britischen Equipe, seit Bradley Wiggins 2012 vor Chris Froome triumphierte. Zwischen damals und heute liegt eine bemerkenswerte Serie: Sky bzw. Ineos hat sieben der vergangenen acht Frankreich-Rundfahrten gewonnen.

Dabei sah es heuer bis zur 19. von 21 Etappen nicht besonders gut aus für das erfolgreichste – und auch teuerste – Team dieses Jahrzehnts. Neben den beiden Franzosen Julian Alaphilippe und Thibaut Pinot, die lang um den Toursieg mitgefahren waren, gab es vor allem ein Gesprächsthema: Die vermeintlich durchbrochene Dominanz des Ineos-Teams. Vor allem in den Pyrenäen zeigten Titelverteidiger Thomas und Co. ungewohnte Schwächen, der Waliser konnte auf dem Col de Tourmalet nicht mehr mithalten, auch Bernal vermochte keine Akzente zu setzen. Im Hochgebirge, wo die übermächtige Sky-Truppe einst die Konkurrenz zermürbt hatte, waren Bernal und Thomas plötzlich auf sich allein gestellt.

Nicht wenige Radsportfans haben dabei Genugtuung empfunden, schließlich ist der britische Rennstall nicht unumstritten: Bei Froome wurden im September 2017 erhöhte Salbutamol-Werte registriert. Von der Welt-Antidoping-Agentur wurde der vierfache Tour-Sieger zwar freigesprochen, ein zweifelhafter Ruf begleitet ihn dennoch. Auch die Praktiken bei den medizinischen Ausnahmegenehmigungen für Wiggins waren zweifelhaft. Es folgte eine Untersuchung durch das britische Parlament, das Sportministerium erhob danach schwere Vorwürfe.

Auch der neue Besitzer und Brexit-Verfechter Jim Ratcliffe, 66-jähriger Chef des Chemieunternehmens Ineos, ist nicht nur in seiner Heimat Großbritannien umstritten. Nachdem der Medienkonzern Sky im Dezember seinen Rückzug aus dem Radsport bekannt gegeben hatte, kaufte sich Ratcliffe ein. Sein kolportiertes Privatvermögen: 21 Milliarden Pfund (23,3 Mrd. Euro).

Für einen weiteren Toursieg sah es im ersten Jahr unter neuem Namen lange nicht gut aus. Erst beim Showdown in den Alpen schlug Ineos dann aber doch noch zurück. Hinauf zum Col de l'Iseran hatten Jonathan Castroviejo und Dylan Van Baarle ordentlich Tempo gemacht, ehe Thomas attackierte und Bernal schließlich als Erster den Gipfel erreichte. „Wir haben uns gedacht, wenn wir irgendwo den Unterschied machen können, dann auf dem Iseran“, erklärte der langjährige Teammanager Dave Brailsford. Egan Bernal, seinen neuesten Tour-Sieger, hatte Brailsford höchstpersönlich im Vorjahr zu Ineos gelotst.  (joe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.07.2019)

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