"Zwei gemütliche Sommerspritzer helfen meinem Spiel"

Für Mensur Suljovic ist die Welt eine Scheibe. Österreichs Herr der Pfeile zählt im Darts seit Jahren zur erweiterten Weltspitze. Im Interview spricht der gebürtige Serbe über die Privilegien eines Phil Taylor, die Angst vor dem Gewinnen und den positiven Einfluss von Spirituosen.

Wann haben Sie herausgefunden, dass Sie gut mit Pfeilen auf eine Scheibe werfen können?

Mensur Suljovic: Vor 18 Jahren. Mein Bruder betreibt im 15. Bezirk ein Kaffeehaus. Er hat einen Partner zum Darts-Spielen gesucht. Plötzlich hat es geheißen, ich muss das Feld mit der Elf treffen. Ich habe sie gleich beim ersten Versuch getroffen. Mein Bruder war fest davon überzeugt, dass ich davor schon ein paar Mal gespielt habe. In Wahrheit hatte ich damals zum ersten Mal in meinem Leben Pfeile in der Hand.

Sie sind also ein Naturtalent. Welchen Beruf haben Sie ursprünglich erlernt?

Maschinenschlosser. Aber mir war relativ schnell klar, dass Darts meine wahre Berufung ist. Ich habe angefangen, regelmäßig in Kaffeehäusern zu spielen. Zuerst gegen andere. Irgendwann war ich so gut, dass keiner mehr gegen mich spielen wollte. Als ich anfing, allein zu trainieren, haben sie mich für verrückt gehalten. Dass ich das Spiel heute so gut beherrsche, hätte ich selbst nie gedacht.

Phil Taylor ist in Ihrem Sport der unumstrittene König. Was macht der gut genährte Herr mit dem freundlichen Grinser so viel besser als jeder andere?

Der macht überhaupt nichts besser! Er genießt ein großes Privileg: Er kann es sich erlauben, nur für diesen Sport zu leben. Taylor braucht sich um nichts anderes als um Darts zu kümmern, kann nach Lust und Laune trainieren. Ich muss mich um meine Familie, Sponsoren und ab und zu um das Geschäft im Kaffeehaus meines Bruders kümmern. Es kommt also immer etwas dazwischen. Taylor steht am Morgen auf, trainiert zwei Stunden, dann geht er spazieren und dann trainiert er nochmals ein paar Stunden. Davon bin ich weit entfernt.

Also entscheidet der Trainingsumfang?

Mitunter, aber in gewisser Weise ist Taylor natürlich ein Ausnahmetalent, weil er es schafft, sich so dem Sport hinzugeben. Dabei hat es Taylor absolut nicht leicht. Bei jedem Turnier erwartet das Publikum, dass er „180“ wirft. Aber selbst er ist keine Maschine.

Lässt ein Mann, der 2012 schon über 800.000 Euro Preisgeld eingespielt hat, den Superstar raushängen?

Manche Turnierveranstalter ermöglichen ihm genau das. Es gibt Trainingsräume, zu denen nur Phil Taylor Zugang hat. Ich meine, wir sollten alle gleich behandelt werden. Aber okay, er hat sich diesen Status verdient.

Ist es Ihnen schon einmal gelungen, einen „Neun-Darter“ – also 501 Punkte mit neun Pfeilen – zu werfen?

Leider nur im Training. Im Wettkampf muss das ein unglaubliches Gefühl freisetzen. 80 Prozent aller Spieler haben irgendwann schon einen Neun-Darter geworfen. Früher war das ein echtes Kunststück, mittlerweile passiert es fast jede Woche. Mental wäre es für mich unheimlich wichtig, es einmal auch im Wettkampf zu schaffen.

Was tun Sie, wenn Sie merken, dass in einem Spiel rein gar nichts zusammenläuft?

Wichtig ist, dass du dich mental nicht hängen lässt. Mir ist es schon oft passiert, dass ich das Spiel schleifen habe lassen. Der Gegner spürt das sofort, wird selbst immer stärker. Ich habe gegen bessere Spieler schon 5:1 in Sätzen geführt und dann noch 5:6 verloren. Da denkst du dir: ,Das gibt's doch nicht.' Ich hatte Angst vor dem Gewinnen, habe plötzlich eine steife Hand bekommen. Genau deshalb braucht jeder in der Weltspitze auch einen Mentaltrainer.

Darts-Spieler begleitet sehr oft auch ein Vorurteil: Sie sollen dem Alkohol nicht abgeneigt sein. Stimmt das?

90 Prozent der Spieler trinken vor dem Spiel eine Kleinigkeit. Zu viel darf es nicht sein, schließlich müssen sie ja noch stehen. Allerdings: Während des Wettkampfes ist Alkohol absolut tabu. Wenn dich dabei jemand erwischt, wirst du sofort disqualifiziert.

Trinken die Spieler während eines Matches deshalb ausschließlich nur Wasser?

Es ist nichts anderes erlaubt. Wenn dort ein Glas Cola stehen würde, könnte man es ja mit etwas mischen, ohne dass es jemand merkt.

Was trinken Sie denn zur Beruhigung vor einem Spiel?

Ich bevorzuge Wein. Zwei, drei gemütliche Sommerspritzer helfen meinem Spiel. Viele sagen, dass Schnaps noch förderlicher ist. Die Engländer sind ja auch den härteren Getränken nicht abgeneigt.

Würde das Niveau sinken, wenn es vor Spielen ein Alkoholverbot gäbe?

Ein bisschen niedriger wäre es sicher. Andererseits: Die Engländer zum Beispiel sind Alkohol schon so gewohnt, dass es vielleicht gar nicht ins Gewicht fällt. Die trinken zum Training ihr Bier. Es gibt aber auch Spieler, die gar nichts trinken.

Hat in Ihrer Wohnung auch eine Darts-Scheibe Platz, oder können Sie Beruf und Privatleben strikt trennen?

Meine Frau hätte kein Problem damit. Aber wenn ich eine Scheibe zu Hause hätte, würde mich mein kleiner Sohn nie in Ruhe lassen. Er will dann ständig spielen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.04.2012)

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