Legende auf dem Beifahrersitz

Die Erfahrung von 199 Grand Prix, 51 Rennsiegen und vier WM-Titeln: Alain Prost ist seit 2017 Sonderberater des Renault-Teams. Grand Prix Melbourne 23 26 March 2017 24 03 2017 Free Practice 1 Alain Prost FRA
Die Erfahrung von 199 Grand Prix, 51 Rennsiegen und vier WM-Titeln: Alain Prost ist seit 2017 Sonderberater des Renault-Teams. Grand Prix Melbourne 23 26 March 2017 24 03 2017 Free Practice 1 Alain Prost FRA(c) imago/Crash Media Group (imago sportfotodienst)
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Renault blickt auf eine große Formel-1-Historie zurück, nach einem Neustart wollen die Franzosen wieder um den WM-Titel fahren. Alain Prost zieht dafür im Hintergrund die Fäden.

Der Überraschungsgast entpuppte sich am Ende als einer der erfolgreichsten Piloten der Formel-1-Geschichte. Schon in den Mittagsstunden vor der Präsentation des neuen Renault-Boliden in London wurde der 62-jährige Franzose in der Royal Horticultural Hall erblickt, wenige Stunden später verkündete der Rennstall offiziell: Der vierfache Weltmeister und 51-fache Grand-Prix-Sieger wird Berater des Renault-Teams.

Berater kann bekanntlich vieles bedeuten. Und auch bei Prost weiß niemand so recht, was er eigentlich macht. „Ich kümmere mich um alles, was uns besser macht“, sagt er lediglich, seine Meinung zur aktuellen Entwicklung der Rennserie aber hält Prost nicht zurück. „Es sollte mehr Power geben“, sagt er, oder: „Wir sollten uns im Motorsport von allem Künstlichen fernhalten“. Prost, der Purist. „Wir müssen den Fahrern ihre Rolle zurückzugeben, die Menschen sind mehr an der Leistung der Piloten interessiert als an der Technik.“ Aber was möchte er nun mit Renault erreichen? „Wichtig ist, dass Renault so schnell wie möglich gewinnen kann.“

Ein schwieriges Vorhaben. Der „Reset“ 2017 mit neuem Reglement und schnelleren Autos ist jedenfalls die größte Chance seit Langem, um wieder aufzuholen. Der 2016er-Renault ging direkt ins Museum, bei der Vorstellung des neuen gelbschwarzen Boliden wurde die Tradition beschworen – Renault feiert heuer 40 Jahre F1-Engagement – und Prost erklärte: „Mir gefällt es 2017 besser. Die Autos sehen aus wie in alten Zeiten.“ Bis 2020 will das Werksteam um den WM-Titel mitfahren.

Nico Hülkenberg, 29, soll der richtige Mann dafür sein. Er fährt seine siebente F1-Saison, meist solide im Mittelfeld, nur stand er in 119 Grand Prix noch nie auf dem Podest. Der deutsche Le-Mans-Sieger (2015) ist einer der am meisten unterschätzten Piloten, mit Berater Prost an seiner Seite soll er zum Siegfahrer werden, so lautet wohl das Renault-Kalkül. Mit Force India war Hülkenberg im Vorjahr hinter Mercedes, Red Bull und Ferrari die Nummer vier, kurz tauchte sein Name auch in der Nachfolger-Debatte von Weltmeister Nico Rosberg auf. Für kolportierte zehn Millionen Euro im Jahr heuerte er bei Renault an. „Es war ein Traum, für ein Werksteam zu fahren.“

Ein solches garantiert in der Regel Erfolg, zumindest aber ein größeres Budget (bei Renault knapp unter jenem der Topteams) und mehr Möglichkeiten als ein Kundenteam. Ob es dieses Team zurück auf den F1-Thron schafft? „Das traue ich denen zu. Das ist ein Grund, wieso ich hergekommen bin. Ich sehe das Potenzial und glaube, die können das. Sie haben es in der Vergangenheit mehrmals bewiesen.“


Titel und Crashgate. Die Franzosen haben als Motorenpartner und Werksteam insgesamt zwölf Konstrukteurs- und elf Fahrertitel eingefahren. Nach dem Debüt 1977 kämpfte Renault Anfang der 1980er-Jahre mit Prost mehrmals um die WM. Damals hatten die F1-Boliden bis zu 1500 PS, die heutigen 900 sind der F1-Legende zu wenig, auch die V6-Motoren gefallen Prost nicht, DRS schon gar nicht. „Ich hing mit meinen Füßen vor der Vorderachse, die Strecken boten kaum Sicherheit. Es war wirklich verrückt“, sagt er heute über die damalige Tausendsteljagd. Seine größten Erfolge feierte der Franzose allerdings im McLaren, mit Ayrton Senna lieferte er sich von 1988 bis 1991 einen der spannendsten – und härtesten – Zweikämpfe der F1-Geschichte.

Der erfolgreichste Renault-Pilot aber heißt Fernando Alonso, 2005 und 2006 wurde er Weltmeister und beendete die Ära Michael Schumacher/Ferrari. Danach ging es bergab. In Erinnerung blieb der Crashgate-Skandal in Singapur um Flavio Briatore und Nelson Piquet jun., 2010 wurde der Rennstall von der Investmentgruppe Genii Capital aus Luxemburg übernommen und Lotus getauft. Renault lieferte noch die Motoren für die Red-Bull-Dominanz von Sebastian Vettel und kaufte Ende 2015 das Lotus-Team (zwei Siege in 115 Rennen) zurück, 2016 fuhr das Werksteam hinterher (Neunter in der Konstrukteurs-WM).

Selbst für ein einstiges Weltmeister-Team ist es ein beschwerlicher Weg zurück an die Spitze. „Ich sehe dieses Jahr als Aufbaujahr“, erklärt Hülkenberg. Seine bisherige Saisonbilanz: Die Ränge elf, zwölf und neun, zuletzt in Sotschi ein achter Platz, seinen britischen Teamrivalen, Jolyon Palmer, 26, hat er im Griff. „Die Ressourcen sind da, das Budget ist da, alle Zutaten sind vorhanden. Jetzt liegt es an uns Menschen im Team, das alles umzusetzen“, sagt Hülkenberg.

Im Hintergrund werkt indes „Berater“ Prost. „Wie wir den Posten am Ende nennen, war lange offen“, erzählt die F1-Legende. „Ich bin kein Teil des Teams. Ich wollte eine Rolle mit etwas Distanz zum Tagesgeschäft. So habe ich den besten Überblick.“

alain prost

1955 wird Alain Prost in Saint-Chamondals Sohn eines Franzosen und einer Armenierin geboren.

1980 bestreitet er seinen ersten Formel-1-Grand Prix in Argentinien (McLaren).

1981-1983 fährt Prost für Renault, 1981 gewinnt er beim Heim-GP in Frankreich sein erstes F1-Rennen.

50 weitere Siege folgten, viermal wurde er Weltmeister (1985, 1986 und 1989 im McLaren, 1993 im Williams). Bei McLaren entwickelte er seine Rivalität mit Ayrton Senna.

1997 übernahm er Ligier, nannte den Rennstall in Prost Grand Prix um und arbeitete als Teamchef. 2001 musste das Team Insolvenz anmelden.

Nicolas Prost, sein ältester Sohn (*1981), ist ebenfalls Rennfahrer (Langstrecken-WM, Formel E). Prost hat einen weiteren Sohn (Sacha, *1990, Modemacher) und eine Tochter (Victoria, *1996).

2017 wird er als Berater des Renault-F1-Teams vorgestellt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2017)

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