Anna Veith: Die Krönung eines Comebacks

Sieger beißen in ihre Medaillen, Siegerinnen küssen sie: Anna Veith nimmt ihr Super-G-Silber glücklich in Empfang.
Sieger beißen in ihre Medaillen, Siegerinnen küssen sie: Anna Veith nimmt ihr Super-G-Silber glücklich in Empfang.APA/ÖOC/ERICH SPIESS
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Die Salzburgerin Anna Veith ließ mit Super-G-Silber sämtliche Kritiker verstummen. Nach zwei Knieoperationen hing ihre Karriere bereits am seidenen Faden.

Für 26 Minuten war Anna Veith die Super-G-Olympiasiegerin von Pyeongchang. IOC-Präsident Thomas Bach sprach im Zielraum des Jeongseon Alpine Center bereits erste Gratulationen aus, ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel umarmte die Salzburgerin innig. Und Nicole Schmidhofer, die amtierende Weltmeisterin in dieser Disziplin, hielt sich wie gewohnt verbal nicht zurück. „Du bist die Geilste“, brüllte sie ihrer Teamkollegin ins Gesicht. Als Ester Ledecká mit der Startnummer 26 die Ziellinie überquerte, ihre Zeit auf der Anzeigetafel aufschien, hatte es jedoch selbst der so redegewandten Schmidhofer die Sprache verschlagen. Ungläubige Blicke, wo man auch hinsah. Bei Ledecká, bei Veith, bei allen.

Für einen kurzen Moment muss bei Veith, der 26-Minuten-Olympiasiegerin, unendliche Freude blankem Entsetzen gewichen sein. Doch mit dem kurzen Abstand von ein paar wenigen Sekunden fühlte es sich schon nicht mehr so an, als wäre sie aus allen Träumen gerissen worden. Der Glanz von Silber überstrahlte den Verlust von bereits sicher geglaubtem Gold. Natürlich musste man Veith auf der Medaillenrechnung haben, viele betrachteten den Gewinn von Edelmetall aber als kompliziertes Unterfangen, zumal sich die 28-Jährige während der Saison doch relativ inkonstant präsentierte.

Einem Ausfall zu Beginn folgten die Ränge 5, 15, 1, 15 und 4. Mit Silber, ihrer insgesamt dritten Medaille bei Winterspielen nach Gold (Super-G) und Silber (Riesentorlauf) in Sotschi, strafte Veith aber sämtliche Kritiker Lügen, die einen solchen Erfolg nicht mehr für möglich gehalten hatten.

Die Halleinerin erinnerte sich an diesem Samstag in Pyeongchang „an so vieles“, und natürlich tauchten wieder die Bilder von ihrer schweren Verletzung auf. „Ich hatte viele harte Momente, das geht mir jetzt noch nahe“, sagte sie und kämpfte ganz offensichtlich mit ihren Emotionen.


Der lange Weg zurück. Vor zweieinhalb Jahren, im Herbst 2015, war Veith auf dem Höhepunkt ihres Schaffens. Ihrem Super-G-Olympiasieg von Sotschi hatte sie bei der WM 2015 zwei weitere Titel (Super-G, RTL) folgen lassen, außerdem gewann sie zum zweiten Mal in Folge den Gesamtweltcup. Österreichs Sportlerin der Jahre 2013, 2014 und 2015 war in aller Munde, sie unterschrieb lukrative Werbeverträge. Anna Veith war jetzt nicht bloß Skifahrerin, sie war auch eine Marke.

Am 21. Oktober 2015, drei Tage vor Saisonbeginn, stand die Welt der Anna Veith aber urplötzlich Kopf. Bei einem Trainingssturz in Sölden erlitt sie einen Kreuzband- und Innenbandriss im rechten Knie, auch die Patellasehne litt. Veith verpasste die komplette Saison, der Weg zurück entwickelte sich zu einem langen Leidensweg. Vor der Verletzung selbst noch Weltklasse, war der Abstand zur Weltklasse nun gewaltig angewachsen. Das Vertrauen in das eigene Können und in den Körper, es kehrte nur stückweise zurück. Die WM 2017 in St. Moritz beendete sie nach einem Ausfall und einem 22. Platz vorzeitig. Es folgte eine zweite Operation, diesmal am linken Knie. Eine chronische Entzündung der Patellasehne, der nächste Rückschlag.


Die Überschläge des Lebens. Seit ihrem Sturz in Sölden hatte Veith die Spiele in Pyeongchang visualisiert, sie waren stets ein großer Antrieb. „Das ist der Traum, den ich seit zwei Jahren habe und aufgrund dessen ich hartnäckig drangeblieben bin“, sagte Veith, deren Karriereverlauf einer Achterbahnfahrt ähnelt, wie sie selbst meinte. „Es war alles so extrem, zunächst die Höhen und dann die extremen Tiefen. Mein Leben überschlägt sich immer wieder.“

Sowohl Veith als auch Ledecká bieten sich in den nächsten Tagen noch zwei Medaillenchancen. Der ÖSV-Star startet in der Abfahrt am Mittwoch (3 Uhr MEZ, live ORF eins), bei der die Tschechin aller Voraussicht nach fehlen wird. Sie bereitet sich auf das Snowboard-Parallelrennen am Samstag vor, dort gilt Ledecká als Favoritin.

Medaillen

Gold
Ester Ledecka (TCH)

Silber
ANNA VEITH

Bronze
Tina Weirather (LIE)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2018)

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