Skispringen: Die größte Revolution seit dem V-Stil

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Simon Ammanns vierter Olympiasieg wird auch deshalb in die Geschichte eingehen, weil er den Beginn einer technologischen Revolution markiert.

Whistler. Vor 20 Jahren war es Ian Boklöv, der durch Zufall den V-Stil erfunden hat. Der Schwede, der heute in seiner Heimat Kindergärtner ist, hat die letzte große Revolution im Sprunglauf ausgelöst. Heute ist es unvorstellbar, dass noch jemand im Parallelstil die Schanzen der Welt hinunterspringt. Die Bindung von Simon Ammann, die bei diesen Olympischen Spielen der Diskussionsstoff schlechthin unter den Springern war, wird zwar diesen Sport nicht neu erfinden, zeigt aber, dass gerade in diesem Segment großes Entwicklungspotenzial liegt. Ammanns zweiter Doppelolympiasieg katapultiert ihn somit nicht nur auf eine Stufe mit dem großen Matti Nykänen. Der Schweizer markiert damit auch den Beginn der größten Revolution im Skispringen seit der Entwicklung des V-Stils.

Denn anders als im Langlauf- und Skisport, wo ein Breitensport dahintersteckt und somit wirtschaftliche Interessen für Innovationen sorgen, vertrauen die Springer noch auf relativ veraltete Systeme. „Wir springen noch immer mit handgemachten Lederschuhen, der Verschleiß ist groß“, sagt der zweifache Bronzemedaillengewinner Gregor Schlierenzauer. Pro Saison verbraucht er mehr als ein halbes Dutzend Schuhe. Und da das Reglement bei Bindung und Schuhen „sehr viel Spielraum“ lässt, wie ÖSV-Rennsportdirektor Toni Innauer meint, werde man demnächst „Überraschungen“ erleben.

Ammann ist vorgehüpft. Er setzt seit dem Weltcup in Klingenthal auf eine Modifikation, die ihm der finnische Tüftler Ilkka Tuomikoski gefertigt hat. Die Ferse ist dabei nicht mit dem üblichen Bändchen gesichert, sondern mit einem gehärteten Aluminiumstäbchen. Dieses ist zudem leicht gekrümmt und soll Ammanns Sprung mehr Stabilität und vor allem mehr Auftrieb verleihen.

Neben den Finnen hat übrigens auch der Österreicher Sebastian Kaltenböck ein ähnliches System längst getestet. Doch es gibt eben auch Stimmen, die die neue Bindung für gefährlich halten. Selbst Ammann weiß noch nicht, ob er beim Skifliegen diese Bindung einsetzen wird.

Für Schlierenzauer steht fest, dass „im Sommer das Material verbessert werden muss“. Gut möglich, dass der österreichische Skiverband unverzüglich die Entwicklung einer neue Bindung in Auftrag gibt oder möglicherweise schon gegeben hat.

Bleibt die Frage, ob der Internationale Skiverband (FIS) dem Ganzen nicht doch noch einen Riegel vorschieben wird. Als Hannu Lepistö Anfang des Jahrtausends Österreichs Cheftrainer war, flogen für ein paar Monate die ÖSV-Adler der Konkurrenz auf und davon. Das Erfolgsgeheimnis war ein neues Anzugmaterial – bis die FIS das Material verbot und ein neues Regelwerk schneiderte...

AUF EINEN BLICK

Simon Ammann schrieb mit seinem zweiten Triumph Sportgeschichte: Der Eidgenosse, der bereits 2002 Doppel-Olympiasieger geworden war, schaffte als erster Springer vier Goldene in Einzelkonkurrenzen. Ammann ist der erfolgreichste Schweizer Winterolympionike.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2010)

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