Bode Miller: Das Kind im Manne

(c) GEPA (Andreas Reichart)
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Bode Miller darf endlich Olympiagold sein Eigen nennen. Der Ski-Exzentriker freut sich und will nun den Slalomsieg. Vier Anläufe hat Miller für sein erstes olympisches Edelmetall in Gold benötigt.

WHISTLER. Es scheint so, als hätte Olympiagold Bode Millers Zunge gelockert. Auch der vor dem Rennen immer stoische und ansonsten oft grimmige Gesichtsausdruck ist einem breiten Grinsen gewichen. „Ich bin müde in die Abfahrt gestartet, noch müder zum Slalom angetreten und jetzt noch viel müder. Aber es fühlt sich großartig an, so gefahren zu sein“, sprudelte es aus dem Ski-Exzentriker nach seinem Triumph in der Superkombination nur so heraus.

Vier Anläufe hat Miller für sein erstes olympisches Edelmetall in Gold benötigt. Und jetzt, da er seine „Goldene“ endlich um den Hals hängen hat, kann der 32-Jährige aus New Hampshire auch zugeben, dass sie ihm nicht ganz egal ist. „Die Art und Weise, wie ich Gold geholt habe, darauf werde ich noch lange stolz sein“, sagte Miller.

Dabei kann man die Beziehung zwischen Bode Miller und den Olympischen Spielen getrost als gestört bezeichnen. Den absoluten Tiefpunkt erreichte sie vor genau vier Jahren in Turin. Von Miller wurden fünf Medaillen in fünf Disziplinen erwartet. Am Ende gab es keine Medaille, dafür aber handfeste Kritik. Anstatt auf der Strecke Vollgas zu geben, feierte Miller Partys ohne Ende. Und erklärte, dass ihm die Olympischen Spiele herzlich gleichgültig seien. „Ich hatte zwei großartige Wochen und habe auf olympischem Toplevel gefeiert“, motzte Miller in Richtung seiner Kritiker.

Olympische Eskapaden

Lange Zeit duldete das US-Ski-Team Millers Eskapaden. Seine Erfolge sprachen für ihn. Vier WM-Goldmedaillen, eine große Kristallkugel. Doch nach Turin 2006 hatte selbst das US-Team genug und versuchte, Miller ein engmaschiges Regelkorsett anzulegen. Der Sturschädel kehrte dem US-Team 2007 den Rücken und tourte fortan mit seinem „Bode-Mobil“ auf eigene Faust von Rennen zu Rennen. In der ersten Saison war Miller mit seinem zweiten Gesamtweltcupsieg noch äußerst erfolgreich. Das zweite Jahr war allerdings zum Vergessen: Es war das erste seit knapp einem Jahrzehnt ohne Weltcupsieg.

Aufgewachsen ist Miller ohne Strom und fließendes Wasser in einem Holzhaus in den Bergen von New Hampshire. Von seinen Hippie-Eltern wurde er alternativ erzogen, als Zweijähriger erstmals auf Skier gestellt, mit 14 ins Internat „Carrabasset Valley Ski Academy“ in Maine geschickt.

Miller ist ein Einzelgänger. Ein Freigeist, mit dem es nicht immer leicht ist. Vor allem, wenn es um Zusammenarbeit geht. Das musste auch sein Rennchef bei Head, Rainer Salzgeber, im letzten Jahr erkennen. Monatelang ließ Miller ihn im Vorjahr im Unklaren darüber, ob er jemals wieder in den Weltcup zurückkehren würde. Er vergnügte sich lieber beim Surfen oder spielte mit seiner mittlerweile fast zweijährigen Tochter Neesyn Dacy.

Erst im September kehrte Miller in den Schoß des US-Teams zurück, um noch einmal sein olympisches Glück zu versuchen. Weil die Saisonvorbereitung normalerweise viel früher beginnt, hatte Miller fitnesstechnisch einiges aufzuholen. Aber er ging in Vancouver auch ohne jeglichen Druck an den Start. „Ich wollte alles loslassen und so fahren, wie ich als Kind gefahren bin. Ohne zu überlegen, immer am Limit.“

Das ist ihm gelungen. Miller hält bislang bei drei Medaillen in drei Rennen. Seit seinem ersten Auftritt in Kanada hat er sich stets gesteigert: Bronze in der Abfahrt, Silber im Super-G, Gold in der Superkombination.

Das große Ziel

Jetzt ist Miller einer von lediglich vier Alpinstars, die insgesamt fünf oder mehr Olympiamedaillen ihr Eigen nennen dürfen. Kjetil Andre Aamodt hält bei acht, Alberto Tomba und Lasse Kjus so wie Miller bei fünf. Aber es wäre nicht Miller, würde er nicht behaupten, dass ihm solche Statistiken eigentlich völlig egal seien. Ihm gehe es nur um den Spaß am Skifahren.

Seinen nächsten Auftritt hat er schon heute im Riesentorlauf. Die Chance auf seine sechste Olympiamedaille lässt ihn eher kalt, Miller hat andere Pläne. Er will am kommenden Samstag Slalomgold holen. „Ich mag den Slalom einfach am liebsten. Ich bin da meine besten Rennen gefahren“, erklärte er. Obwohl: Nur im Torlauf hat Miller bisher weder WM- noch Olympiamedaillen gewonnen. Gelingt ihm das in Vancouver, wäre er der erste Skifahrer der Welt, der Olympiamedaillen in allen fünf Disziplinen gewonnen hätte. Das ist ein Rekord, der auch Miller nicht egal sein dürfte.

ZUR PERSON

Bode Miller (* 12. Oktober 1977) ist mit seinen Eltern und drei Geschwistern in einem Holzhaus in den Bergen von New Hampshire aufgewachsen. Er ist Vater einer zweijährigen Tochter. Er gehört zum erlauchten Kreis jener Skiasse, die in allen fünf Disziplinen Siege feiern konnten. Insgesamt hat er bislang 32 Weltcupsiege eingefahren.

Größte Erfolge

Olympiasieger Superkombination, Super-G-Silber und Abfahrtsbronze2010

vierfacher Weltmeister (Riesenslalom und Kombi 2002, Abfahrt und Super-G 2005)

zweifacher Gesamtweltcupsieger 2005 und 2008

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2010)

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