Spielraum

Das Ende einer Ära mit Misstönen

Arsène und Arsenal trennen sich, nach 22 Jahren endet eine Ära mit Misstönen. Die „Gunners“ werden Wenger aber noch nachweinen. Sein einziger Fehler war es, den richtigen Augenblick zum Absprung verpasst zu haben.

Arsène Wenger verlässt Arsenal mit Saisonende. Endgültig, es gibt trotz laufenden Vertrages bis Juni 2019 kein Zurück. Der Elsässer, 69, gibt nach 22 Dienstjahren seinen Posten ab, damit endet eine Ära. Für manche trotzdem viel zu spät, weil Anspruch, Leistung und Erfolg weit auseinanderklaffen, und Wenger nicht mehr die Galionsfigur verkörperte wie in den Jahrzehnten davor. Unverbesserliche Romantiker hingegen sehen mit dem Abschied des Franzosen endgültig das Ende der Londoner Fußballkultur gekommen.

Von 20 Premier-League-Vereinen sind mittlerweile 15 in ausländischer Hand. Ob Scheich, Oligarch, Konsortium, Thai-Millionär oder China-Milliardär: Englands höchste Fußballliga und ihre Klubs sind ein begehrtes Spielzeug der Industrie. Wenger warnte ausdrücklich davor, jahrelang. Er spürte es zudem am eigenen Leibe: war Arsenal 1996 und zu Beginn seiner Amtszeit mit Geld gesegnet, schraubten die US-Investoren am Geldhahn. Das Geld wurde in andere Kanäle gepumpt, etwa in den Bau des Emirates Stadiums. Es gilt in den USA als bessere Investition als ein Fußballer.

„Geldberge“ werden im Fußball täglich verbrannt mit Gagen und Transfers. Arsenal und Wenger spielten bei diesem Wahnsinn jedoch nie mit. Zudem: er hatte so oft das richtige Händchen bei der Wahl wirklich guter Fußballer zu vernünftigen Preisen: Bergkamp, Henry, Ljungberg, Overmars, Anelka, Petit, Vieira, Fàbregas, van Persie, Sánchez etc. Wenger hat mit seiner Spielweise nicht nur Arsenal revolutioniert, sondern mit seinem Klub auch die ganze Liga.

Wer sich 22 Jahre bei einem Klub wie Arsenal halten kann, zweimal das Double, dreimal die Meisterschaft und siebenmal den FA-Cup (Rekord) gewinnt, hat fürwahr Monumentales erreicht. Wengers Abschied kommt womöglich trotzdem zu spät, im Vorjahr hätte er als Cupsieger abtreten können – im Rampenlicht, unter Applaus. Zuletzt waren nur noch Beschwerden am Stil, Spiel und Auftritt der „Gunners“ laut geworden. Damit bleibt unklar, ob die Ikone aus freien Stücken geht oder, nach deutlichem Wink des US-Investors, gehen muss.

Arsenal spielt seit 20 Jahren durchgehend Champions League, der Klub blieb 2003/2004 unbesiegt – grandiose Errungenschaften, aber verklärt. Wenger hätte längst gehen müssen, vor Jahren. So wie es vergleichsweise Jupp Heynckes oder Alex Ferguson getan haben. Große Feldherren treten von selbst ab, und nicht weil es der Geldgeber will. Das wäre der Plan, würden sie nicht die Zeichen der Zeit übersehen.

Wer auch immer Wenger folgen wird, leicht wird diese Aufgabe wirklich nicht. Die Zeiten haben sich geändert, das Spiel ist schneller und viel teurer geworden. Erfolg ist Pflicht, sofort. Nicht erst in 22 Jahren.

markku.datler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.04.2018)

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