Österreich bewegt sich doch noch

Ein Entschließungsantrag im Parlament gibt der „täglichen Turnstunde“ wieder Auftrieb. Aber wer übernimmt die Rolle des Vorturners, damit es nicht erneut ein leeres Versprechen bleibt?

Bewegungsmangel ist das Hauptproblem unserer Gesellschaft. Um eine Trendwende zu schaffen, muss die Revolution bei einer Zielgruppe beginnen, die für alle die heikelste ist: bei den Kindern.

Dass die „tägliche Turnstunde“, die bereits an Ganztagsschulen (mal mehr, mal weniger) umgesetzt wird, die vernünftigste Idee ist, um Kindern den Spaß an Bewegung zu vermitteln und ihnen den Alltag zu erleichtern, versteht sich von selbst. Je besser die Fitness, desto besser die Konzentration – daran gibt es keine Zweifel. Die Umsetzung gelingt nur in Ausnahmefällen. Etwa im Burgenland, weil dort der politische Wille vorherrscht. Sonst gab es stets drei Ausreden: Schulautonomie, Kosten, Personal.

Jetzt gibt es einen Entschließungsantrag, getragen von allen Parteien und abgesegnet im Parlament. Damit muss sich die nächste Regierung dieser Thematik annehmen und Bildungs- wie Gesundheitsministerium einbinden. Ob das dem neuen Sportminister gelingt? Wissenschaftliche Studien (Quelle: tbus.at) würden es verlangen: 35 Prozent aller Kinder sind übergewichtig, haben Haltungsschäden. Wen das nicht überzeugt, den bewegt womöglich das Geld: Auf 1,9 Milliarden Euro belaufen sich laut SportsEconAustria die im Gesundheitswesen anfallenden Kosten, die auf körperliche Inaktivität zurückzuführen sind.

Der organisierte Sport mit seinen Dachverbänden – man mag Apparat, Bürokratie und Kosten oft zu recht hinterfragen, in diesem Fall jedoch loben – stößt mit seinen Mitteln an Grenzen. Ohne finanzielles Zutun des Bildungs- und Gesundheitsressorts ist Österreichs wichtigstes Kinderprojekt nicht umzusetzen. Selbst die schon länger geforderte Valorisierung der Besonderen Sportförderung (80 Mio. € pro Jahr) wäre nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wäre eine Kostenteilung denn so absurd?

Im Schuljahr 2017/18 wurden 1405 Volksschulen und 1340 Kindergärten im Rahmen der Initiative „Kinder gesund bewegen“ betreut. 440 Volksschulen freuten sich, 137.497 Bewegungseinheiten mit 114.000 Kindern wurden gezählt. Jetzt soll es binnen fünf Jahren auf alle Pflichtschulen ausgerollt werden. Soll, schon 2012 waren ja alle Parteien dafür. Die Mission geriet ins Hintertreffen inmitten politischer Veränderungen. Auch fehlt dem Vorhaben weiterhin ein Aushängeschild, eine Person, die sich weder von Politikern abspeisen noch von Kritikern aufhalten lässt.

Es wäre eine Innovation, würden Askö, Asvö, Sportunion und BSO einen „Vorturner“ finden, der diese Agenda plakativ vorantreibt. In Österreich gibt es doch Lobbyisten für alles, bloß für Kinder und Sport nicht. Irgendwie geht die Befürchtung einher, dass trotz aller Anträge auch dieser Initiative der letzte Schwung fehlen könnte.

markku.datler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2019)

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