Besser, schneller, stärker

Dass seit Jahren kein Dopingfall mehr die Tour erschüttert, skizziert zwar ein Idyll, lässt jedoch den Rückschluss auf eine professionalisierte Methodik der Szene zu. Das wahre Doping-Kerngeschäft gedeiht im Breitensport.

Tour de France: es gibt weltweit kein Radrennen, das mehr begeistert. Die Fahrt durch idyllische Etappenorte, über unfassbare Bergpassagen, steile Anstiege, dazu das Gedränge am Straßenrand – die Tour bewegt trotz jahrelanger Dopingskandale. TV-tauglich perfekt in Szene gesetzt, in einem Tempo, das Normalverbraucher nie erreichen. Es wirkt dann alles so leicht.

Der Schatten der Skepsis rollt jedoch weiterhin einher. Immer wieder fragt man sich, ob denn jetzt alles sauber zugeht. Von positiven Tests ist seit Jahren nichts zu hören, der letzte kapitale Fall war 2012 aufgedeckt worden. Diese „blütenweiße Weste“ ist für einen seit Jahrzehnten mit dieser Problematik verfolgten Sport irritierend sauber.

Besserwisser, Kritiker und die Rache der Ertappten, die jetzt scheinheilig-geläutert mit dem Finger auf andere zeigen, holen Events wie die Tour stets ein. Deren Glaubwürdigkeit besitzt zwar die Stärke eines Kartenhauses, gehört werden sie trotzdem. Solche Beispiele gibt es auch im österreichischen Langlauf, in jeder Ausdauersportart.

Seit der „Operation Aderlass“ bei der Nordischen WM in Seefeld im vergangenen Februar aber weiß man, dass im Radsport weiterhin hochqualitativ (nicht nur mit Blut) gedopt wurde. Erwischt wurden aber nur die „kleinen Fische“. Große Namen werden nicht genannt. Hat sich die Szene längst so professionalisiert? Wurden Tests, Dosis und Dreistheit in Einklang gebracht? Gibt es gar „mafiösen Schutz“, wie so oft gemunkelt wird? Mitunter scheint es, als würde der organisierte Sport noch immer kein Interesse an solchen Aufarbeitungen haben. Oder ist es bloß haltloses Geplapper der Zurückgebliebenen und Unterlegenen? Ist man naiv, wenn man glaubt, dass einst „radelnde Apotheken“ jetzt „clean“ ausrollen? Nebst der Hoffnung gilt die Unschuldsvermutung.

Diese Woche sorgte wieder eine Polizeiaktion, „Operation Viribus“, für Aufsehen. In allen EU-Staaten wurde ermittelt, und in Wien, der Drehscheibe der Dealer, zugeschlagen. 3,8 Millionen Präparate und 22 Tonnen Steroidpulver wurden sichergestellt. Es war nicht für Spitzensportler gedacht, sondern für den Fitness- und Breitensport. Die Nebenwirkungen sind eklatant, mit horrenden Kosten und maximaler Gesundheitsgefährdung. Doping im Hobbysport ist keine Einzelerscheinung, sondern das eigentliche Kerngeschäft. Es gedeiht bei Fußballern in untersten Ligen, Marathonläufern, Radfahrern, Footballern, Bodybuildern etc. Besser, schneller, stärker – koste es, was es wolle. Und ein Ende ist nicht in Sicht.

In diesem Punkt hat der Amateur-Doper im dunkelsten Hinterzimmer mit einem Tour-Fahrer doch etwas gemein. Ohne noch härtere Gesetze und noch längere Strafen wird man diese Plage nicht los. Wieso? Es wirkt dann alles doch so leicht.

markku.datler@diepresse.com

Diepresse.com/Sport

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2019)

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