Spielraum

Die Olympischen Jugend-Winterspiele wirken wie eine Art Scheinwelt. Ein widersprüchliches Experiment.

In Innsbruck ist man seit Freitag wieder einmal Feuer und Flamme. Zum bereits dritten Mal, diesmal ist es aber dennoch eine Premiere. Die Jugend ist am Wort, sie ist aufgerufen, sich erstmals auf Schnee und Eis zu duellieren. Wobei das Internationale Olympische Komitee (IOC) natürlich in erster Linie die Ideale von Coubertin beschwört. Es soll nicht nur um Gold, Silber oder Bronze gehen, das Spiel und die Freude sollen im Mittelpunkt stehen. IOC-Präsident Jacques Rogge bezeichnet das alles als Investition in die Zukunft, als Auftrag an den Sportnachwuchs. Aber die Jugend-Winterspiele bleiben ein Experiment – und zwar ein widersprüchliches.

Der 69-jährige Rogge, der 2013 seinen Olympia-Thron räumen soll, redet über eine Scheinsportwelt. Die Wettbewerbe, so die Illusion, sollen nicht allzu ernst genommen werden. Und auch nicht zur Belastung werden. „Das“, sagt der IOC-Präsident, „kommt noch früh genug.“ Vermittelt werden soll der Fair-Play-Gedanke, es geht um einen kulturellen Austausch, darum gibt es auch ein umfassendes Rahmenprogramm. Auch Dopingprävention wird gepredigt, sogar die Möglichkeit zur Gesundheitsberatung existiert.

In der Scheinwelt der Jugendspiele existiert dennoch ein Siegertreppchen, es erklingen die Hymnen, die Fahnen der Siegerländer wehen im Wind, Dopingkontrollen werden auch bei den Jugendlichen genommen. Offiziell wird allerdings auf einen Medaillenspiegel verzichtet. Das Leistungsdenken soll künstlich ausgeblendet werden, das kann nicht gut gehen, das funktioniert einfach nicht. Denn die Athleten, die sich für diese Winterspiele qualifiziert haben, zählen in ihren Altersklassen zur Elite. Das Leistungsdenken haben sie alle längst verinnerlicht, sonst hätte man sie auch nicht nach Tirol als Sport-Botschafter entsendet.

Die Jugendspiele dienen als Mittel zum Zweck, denn sonst könnte irgendwann einmal das Interesse am Premiumprodukt der Olympier schwinden. Olympia soll mit hip anmutenden Disziplinen ein wenig entstaubt, Innsbruck zur Frischzellenkur werden. Aber auf den wahren „Erfinder“ der Jugendspiele, den Kärntner Pensionisten Johann Rosenzopf, hat das IOC vergessen. Ein Rechtsstreit mit den Herren der Ringe hat mit einem Vergleich geendet, der Ideengeber wurde mit einer netten Urkunde abgespeist. Wenn es ums Geld geht, dann verstehen die Gralshüter Olympias nämlich keinen Spaß.

E-Mail: wolfgang.wiederstein@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2012)

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