Wie in alten Zeiten

Der so befreiende Augenblick, wenn Druck, Anspannung und Ungewissheit abfallen. Der Schweizer Roger Federer gewinnt die Australian Open 2017.
Der so befreiende Augenblick, wenn Druck, Anspannung und Ungewissheit abfallen. Der Schweizer Roger Federer gewinnt die Australian Open 2017.(c) APA/AFP/PETER PARKS
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Auch mit 35 Jahren kann Roger Federer noch Grand-Slam-Titel gewinnen: Sein Comeback krönt der Schweizer in Melbourne, er sagt: "Ich hätte es aber auch Rafael Nadal vergönnt."

Melbourne/Wien. Egal, wer nach diesem Australian-Open-Endspiel als Sieger vom Platz gegangen wäre, er hätte ein neues Kapitel Tennisgeschichte geschrieben. Roger Federer und Rafael Nadal, ihre Rivalität und ihre so unterschiedliche Spielweisen bescherten der Tenniswelt einige der größten Matches aller Zeiten. Zuletzt aber mussten sich beide damit abfinden, Andy Murray, Stan Wawrinka und vor allem Novak Ðjoković dabei zusehen, wie sie die Grand-Slam-Turniere beherrschten. Federer, insgesamt 302 Wochen an der Spitze der Weltrangliste, war erstmals in seiner beinahe 20-jährigen Karriere ernsthaft verletzt und musste am linken Knie operiert werden, Nadal, 141 Wochen die Nummer eins, kämpfte nach zahlreichen Verletzungen, die jüngste am Handgelenk, mit einer Schaffenskrise.

Der Schlüssel zum Sieg

2017 kehrten beide fulminant auf die Tour zurück: Mit den Top-Favoriten Murray und Ðjoković früh gescheitert, marschierten sie ins Finale der Australien Open. Der 35-jährige Federer, nur noch 17. im Ranking, warf die Nummern zehn, fünf und vier des Turniers aus dem Bewerb, der 30-jährige Nadal, auf Platz neun abgerutscht, verabschiedete die Nummern sechs und drei, im Halbfinale außerdem den überragenden Grigor Dimitrov.

Der Showdown der Altmeister, mit dem im Vorfeld niemand rechnen durfte, war perfekt. „Keiner von uns hat geglaubt, dass wir hier im Finale stehen. Es gibt im Tennis kein Unentschieden, aber wenn es eines geben würde, wäre ich heute damit glücklich gewesen“, meinte Federer, nachdem er sich nach drei Stunden und 37 Minuten mit 6:4, 3:6, 6:1, 3:6, 6:3 zum Champion gekrönt hatte. Es ist sein Grand-Slam-Titel Nummer 18, der erste seit Wimbledon 2012 und der fünfte in Melbourne, zudem gelang ihm der erste Sieg bei den Australian Open über Nadal im vierten Duell (gesamt: 12:23). Seit Wimbledon 2007 hatte Federer den Spanier auf Major-Ebene nicht mehr besiegt. „Um ehrlich zu sein habe ich in solchen Partien sehr oft gegen ihn gewonnen“, meinte Nadal. „Vielleicht hat es Roger etwas mehr verdient als ich. Ich kann nicht behaupten, traurig zu sein.“

Federer hat sich in seinem 100. Match in Melbourne vor allem im dritten Satz und im Finish – nach Breakrückstand im Entscheidungsgame gewann er die letzten fünf Games in Folge – in einen wahren Rausch gespielt. Schlüssel zum Sieg war die Rückhand, auf seiner vermeintlich schwächeren Seite ließ sich der Schweizer dieses Mal nicht von Nadals Topspin in die Defensive drängen. Er wich nicht von der Grundlinie, nahm die Bälle früh und attackierte den zweiten Aufschlag des Spaniers kompromisslos. Trotz hohem Risiko (57 unerzwungene Fehler) gelangen Federer 73 Winner. „Hier werden die Mutigen belohnt“, erklärte der Sieger seine Taktik.

Nadal hatte sich nach Kräften gewehrt, 35 Winner und nur 28 Eigenfehler bezeugten seine wieder gefundene Stabilität nach zwei bestenfalls durchwachsenen Jahren. Ab heute wird Nadal wieder auf Platz sechs im Ranking geführt, Federer kehrt als Zehnter in die Top Ten zurück (Dominic Thiem bleibt Achter).

Die Leiden des Alters

Der vierfache Familienvater ist mit 35 Jahren und 174 Tagen nun der älteste Grand-Slam-Sieger seit Ken Rosewall 1972. „Ich sage es nicht gern, aber ich bin alt, mein Körper tut weh, es schmerzt“, erzählte Federer. Zuletzt waren sich zwei über 30-Jährige bei den US Open 2002 in einem Major-Finale gegenüberstanden. Pete Sampras, wie Federer in Melbourne damals die Nummer 17 der Setzliste, besiegte Andre Agassi, es war das letzte Match seiner Karriere. Federer macht weiter.

AUF EINEN BLICK

Roger Federers 18. Grand-Slam-Titel: Australian Open (5): 2004, 2006, 2007, 2010, 2017.

French Open (1): 2009.

Wimbledon (7): 2003-2007, 2009, 2012.

US Open (5): 2004-2008.

Ewige Herren-Bestenliste:

18 Roger Federer (SUI).

14 Rafael Nadal (ESP): Australian Open (1), French Open (9), Wimbledon (2), US Open (2).

14 Pete Sampras (USA): Australian Open (2), Wimbledon (7), US Open (5).

12 Novak Djokovic (SRB): Australian Open (6), French Open (1), Wimbledon (3), US Open (2); Roy Emerson (AUS): Australian Open (6), French Open (2), Wimbledon (2), US Open (2).

11 Rod Laver (AUS), Björn Borg (SWE).

10 Bill Tilden (USA).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2017)

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