Englands Tennis-Queen

Johanna Konta und der große Wurf in Wimbledon.
Johanna Konta und der große Wurf in Wimbledon. (c) imago/i Images (Stephen Lock / i-Images)
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Wimbledon. 40 Jahre nach Virgina Wade versetzt wieder eine britische Tennisspielerin die Insel in Euphorie. Dabei ist der Halbfinaleinzug von Johanna Konta, 26, doch alles, bloß kein Märchen.

London. Tennis ist ein fesselnder Sport. Die verrückten britischen Fans blieben im Dauerregen einfach auf dem Hügel vor dem Centre Court im Gras sitzen. Die Menschen drängten sich unter bunte Schirme oder schützten sich mit unförmigen Plastikumhängen vor dem Wetter und starrten gebannt auf die Leinwand.

Drinnen spielte Johanna Konta um den Einzug in ein historisches Wimbledon-Halbfinale. Als um kurz vor sieben Uhr abends feststand, dass Konta als erste Britin seit Virginia Wade vor 39 Jahren beim Heim-Grand-Slam unter den besten Vier steht und heute (14 Uhr, live Sky) die fünfmalige Wimbledonsiegerin Venus Williams herausfordern wird, flogen Regenschirme in die Luft und Plastikbecher prallten aufeinander. Nachschub bei Champagner, dem kräutrig-süßen Pimm's oder Bier war schnell gefragt.

Königin des Centre Courts

„Kont stop me now!“, schrieb die Boulevardzeitung „The Sun“ am Mittwoch in Anlehnung an ein Musikstück der britischen Pop-Legende Queen. Von der „neuen Queen des Centre Courts“ war in der „Times“ die Rede: „Entschlossen unter Druck und unerschrocken im Angriff zeigte Konta die Qualitäten, die es braucht, um ein Grand-Slam-Champion zu werden.“ Die „Daily Mail“ wusste zu berichten, dass Konta schon als Kind beim Monopoly so ehrgeizig war, dass sie ihre ältere Schwester zum Weinen brachte, und schrieb auf dem Titel: „History Girl!“

Mit 6:7 (2), 7:6 (5), 6:4 hatte die 26-jährige Konta die als Nummer zwei gesetzte Simona Halep niedergerungen. Dass sie der Rumänin damit auch den Sprung auf Platz eins der Weltrangliste vermieste, war den britischen Blättern am Tag danach jedoch nicht einmal eine Randnotiz wert. Durch die für Außenstehende bizarr anmutenden Branchen-Arithmetik löste die Tschechin Karolina Pliskova stattdessen Angelique Kerber als Spitzenreiterin ab.

Was Andy Murray vor vier Jahren mit seinem ersten Titel auf dem Grün des All England Clubs gelang, scheint seine weitaus weniger prominente Kollegin jetzt auch zu schaffen: die Fans auf der Insel mitzureißen und sie vom ersten britischen Frauen-Titel seit Wade träumen zu lassen.

Der Hang zum Drama

„Ich bin überrascht, dass es so lange gedauert hat. Es ist schön, die letzte Siegerin gewesen zu sein, aber es wäre noch schöner, ganz viele britische Siegerinnen zu haben“, sagte Wade, die in der Royal Box mitfieberte. Konta jedenfalls stillt in diesen Sommertagen auch die Sehnsucht der Briten nach ein bisschen Tennis-Drama: Sie gewinnt (fast) nie einfach so in zwei Sätzen. Und in Wimbledon war sie bei fünf Teilnahmen viermal bereits in Runde eins gescheitert.

In diesem Jahr setzte sich Konta in der zweiten Runde gegen die Kroatin Donna Vekic 7:6 (4), 4:6, 10:8 durch. Auch im Achtelfinale gegen die Französin Caroline Garcia ließ Konta ihre Fans drei Sätze lang leiden, und das Duell mit Halep geriet ohnehin zum Nervenspiel. „Johanna behält in kniffligen Situationen die Ruhe, die mich wirklich beeindruckt“, sagte Murray jüngst über Konta.

Die Tochter eines Hoteliers und einer Zahnärztin arbeitet seit längerem mit einem Mentaltrainer zusammen. In Sydney geboren, lebte sie bis zum Alter von 14 Jahren mit ihren aus Ungarn stammenden Eltern down under. 2012 erhielt sie die britische Staatsbürgerschaft, fand in Eastbourne ihr Zuhause und wirkt selbst nach beeindruckenden Siegen in Interviews oft distanziert-kühl, zugleich aber auch klar in der Analyse und überaus erfrischend selbstkritisch. „Bei meinem Heim-Slam im Halbfinale zu stehen, ist etwas ganz Besonderes“, sagte sie und wollte von einer vorgezogenen Feier nichts wissen. „Es ist nichts geplant, ich bin ja noch mitten im Turnier. Ich werde mich erholen und dann auf die nächste Runde vorbereiten. Aber jetzt möchte ich erst mal nach Hause und schlafen.“

Querrey besiegt Murray

Ein großer Traum ist für die Briten jedoch bereits geplatzt, Titelverteidiger Andy Murray musste sich im Viertelfinale dem Amerikaner Sam Querry in fünf Sätzen geschlagen geben. Der Schotte wirkte dabei ab dem vierten Satz von Schmerzen (Hüfte?) geplagt und Querrey, der als Teenager eine Baseballkarriere auf Anraten des Vaters ausschlug,nutzte seine Chance und siegte 3:6, 6:4, 6:7, 6:1, 6:1. Der 29-jährige Amerikaner steht erstmals in einem Grand-Slam-Halbfinale, der letzte Wimbledonsieger aus den USA war Pete Sampras – im Jahr 2000.

WIMBLEDON

Frauen, Halbfinal-Paarungen: Johanna Konta (GBR-6) – Venus Williams (USA-10), Garbine Mugurza (ESP-14) – Magdalena Rybarikova (SVK).

AUF EINEN BLICK

Johanna Konta, 26, steht im Halbfinale des Grand Slam in Wimbledon und lässt die britischen Fans vom ersten Heimtriumph bei den Frauen seit Virginia Wade 1977 träumen. Die Tochter ungarischer Eltern lebte bis zum Alter von 14 Jahren in Sydney und erhielt erst 2012 die britische Staatsbürgerschaft.

Karolina Pliskova ist die neue Nummer eins im Frauentennis. Die Tschechin löst Angelique Kerber (GER) an der Spitze ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2017)

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