Tennis-Mama auf Rekordjagd

Geht es nach Serena Williams, hier 2015, bei ihrem bisher letzten Triumph in Paris, wird Töchterchen Olympia das nächste Siegerfoto zieren.
Geht es nach Serena Williams, hier 2015, bei ihrem bisher letzten Triumph in Paris, wird Töchterchen Olympia das nächste Siegerfoto zieren.REUTERS
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Nach der Geburt ihrer Tochter musste Serena Williams um ihr Leben kämpfen. Doch die 36-jährige US-Amerikanerin hat es zurück auf die Centre-Courts geschafft, bei den French Open gibt sie nun ihr Grand-Slam-Comeback.

Die Babypause von Serena Williams hat nicht nur sportlich ein Loch an der Spitze des Damentennis hinterlassen. Gleich fünf Spielerinnen wechselten sich seit Anfang 2017 auf Position eins der Weltrangliste ab. Die Topspielerinnen sind austauschbar, es fehlt an Typen und Rivalitäten, Heerscharen von Osteuropäerinnen, hochgezüchtete Talente aus US-Akademien und langjährige Profis, denen trotz bemerkenswerter Erfolge immer wieder die Nerven versagen, regieren den Sport.

Charaktere wie die streitbare Maria Scharapowa, die authentische, aber kürzlich zurückgetretene Roberta Vinci oder die intellektuelle Andrea Petković sind in diesem Umfeld eine Wohltat. Ebenso die Rückkehr von Serena Williams und Victoria Azarenka. Beide waren die Nummer eins der Welt, beide sind mittlerweile Mütter und beide geben nun bei den French Open in Paris wieder einmal ein Comeback auf Grand-Slam-Ebene.

Die Duelle zwischen Williams und Azarenka waren Klassiker, selten war das Niveau im Damentennis höher als in den neun Endspielen, in denen sich die beiden Freundinnen gegenüberstanden. Darunter zweimal (2012, 2013) bei den US Open, denkwürdige Dreisatzpartien, die Williams mit dem Rücken zur Wand irgendwie doch noch gewinnen konnte. Auch wenn sie Azarenka im bisher letzten Aufeinandertreffen (Indian Wells 2016) unterlag, war die mittlerweile 36-jährige US-Amerikanerin die dominierende Spielerin der jüngeren Vergangenheit, zehn ihrer 23 Grand-Slam-Titel hat sie nach ihrem 30. Geburtstag gewonnen.

Am 1. September des Vorjahres brachte Williams ihre Tochter Alexis Olympia Ohanian Jr. auf die Welt. In der sehenswerten HBO-Produktion „Being Serena“ beschreibt sie, wie sie sich zuvor jahrelang nur über Erfolg, Titel und Rekorde definiert hat. „Und dann, mit einem Mal, hat sich mein Leben für immer verändert.“ Nachsatz: „Ich wäre beinahe gestorben.“


Schonungslos offen. Williams weilte im Jänner 2017 für die Australian Open in Melbourne, als sie völlig unerwartet mit ihrer Schwangerschaft konfrontiert wurde. Sie gewann das Turnier ohne Satzverlust, besiegte im Finale ihre ältere Schwester Venus und feierte, ohne dass jemand außerhalb ihres engsten Kreises davon wusste, schwanger ihren bisher letzten Major-Titel. Die Trophäe steht mittlerweile im Kinderzimmer von Töchterlein Olympia. „Ich finde, dass sie ihr gehört.“

In „Being Serena“ gibt Williams unverblümt Einblick in ihr Leben, erzählt von ihrer Jugend in Compton, dem berüchtigten Vorort von Los Angeles, den Schießereien vor der eigenen Haustür. „Es gab viel, wovor man weglaufen wollte.“ Ihr Vater, der geprägt von seiner Kindheit im amerikanischen Süden seine Töchter um jeden Preis in dem von Weißen beherrschten Tennissport siegen sehen wollte, hat einen berührenden Auftritt. Auch Serenas Krankengeschichte wird aufgerollt, die Depression, die Lungenembolie und die Blutgerinnsel, die jeden Eingriff lebensbedrohlich werden lassen, auch den Kaiserschnitt, der bei der Geburt von Olympia notwendig wurde.

Die Kamera ist im Kreißsaal dabei, wenn Williams zum ersten Mal ihre Tochter sieht und auch als sie danach zwei weitere Male operiert wird, weil die Blutgerinnsel wieder akut werden. Man wird Zeuge der privatesten Momente des Lebens der Jungmutter und ihres Mannes Alexis Ohanian, der es, wie er selbst sagt, vom Videospiele-Nerd zum Start-up-Unternehmer (reddit) gebracht hat.

Williams erklärte, die Serie sei ihr eigener Wunsch gewesen, ein Vermächtnis für ihre Tochter. Und tatsächlich gelingt es glaubhaft, ein humorvolles und ganz anderes Gesicht von ihr zu zeigen als jenes auf dem Centre-Court, wo schon Rackets und Linienrichter ihren Unmut abbekommen haben.

Zwei Turniere hat sie seit der Geburt ihrer Tochter bisher gespielt, Indian Wells, das sie wegen angeblicher rassistischer Beleidigungen lang boykottiert hatte, und Miami, beide im März. Die Bilanz: 2:2, noch ist die fehlende Fitness ihr größtes Manko. Nach ihrem frustrierenden Aus in Miami gegen Naomi Osaka (3:6, 2:6) hat sie die Pressekonferenz geschwänzt, was mit einer Geldstrafe einhergeht, und ist sofort von der Anlage verschwunden.

In Paris geht sie nun wieder auf Grand-Slam-Rekordjagd, die Bestmarke von Margaret Court (24 Titel) ist ihr Ziel. Noch wirkt sie dabei wie eine Getriebene. „Es gibt kein Entkommen vor der Angst. Die Angst, dass ich nicht beides sein kann, die beste Mutter und die beste Tennisspielerin der Welt“, sagt sie.

Zu wünschen wäre ihr die neu gewonnene Leichtigkeit von Victoria Azarenka. Die Weißrussin gab nach der Geburt ihres Sohnes Leo im Dezember 2016 im Vorjahr ihr Comeback, spielte ein beachtliches Turnier in Wimbledon (Achtelfinale), musste wegen eines Sorgerechtsstreits, der es ihr nicht erlaubt hat, mit ihrem Sohn ihren Wohnsitz Kalifornien zu verlassen, danach aber eine Zwangspause einlegen. Doch die 28-Jährige hat die Auszeit genutzt, um ihr Repertoire zu erweitern, sie überzeugt mit Spielwitz und cleveren Netzangriffen. Ihre Bilanz seit der Babypause: 11:6. Tennis sei nur ein Job, sagt sie, „Mutter bleibe ich ein Leben lang“.


Champions mit Kind. Williams und Azarenka wären nicht die ersten Mütter, die nach einer Babypause wieder ein Grand-Slam-Turnier gewinnen. Zuletzt gelang das Kim Clijsters, die 2008 Tochter Jada Elly Lynch zur Welt brachte und danach in New York (2009, 2010) und in Melbourne (2011) triumphierte. Die von Williams gejagte Margaret Court bekam drei ihrer vier Kinder während ihrer Profizeit. Vielleicht muss aber auch Tochter Olympia das Werk ihrer Mutter vollenden. In einer Szene von „Being Serena“ wird Williams von ihrem Mann gefragt, was sie sage, wenn jemand behauptet, ihre Tochter würde in 20 Jahren Wimbledon gewinnen. Ihre Antwort: „Nicht wenn ich noch auf der Tour bin!“

Steckbrief

Geboren am 26. September 1981 in Saginaw, Michigan.

Familie
Williams wohnt mit Ehemann Alexis Ohanian (Hochzeit im November 2017) in Palm Beach Gardens, Florida. Tochter Alexis Olympia Ohanian Jr. kam am 1. September 2017 zur Welt.

Schwester Venus Williams, 37.

Karriere
Profi-Debüt 1995, 319 Wochen lang Nummer eins der Weltrangliste.

Karriere-Preisgeld: 84,5 Mio. US-Dollar.

72 Titel, davon 23 Grand-Slam-Siege. Olympia-Gold 2012.

French Open
Williams (WTA 453) trifft in Runde eins auf Kristyna Plišková (CZE, WTA 70), Victoria Azarenka (82) auf Kateřina Siniaková (CZE, 57). ?AFP

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2018)

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