Naomi Osaka steht als erste Japanerin im Finale der US Open und trifft heute im Duell der Generationen auf ihr großes Idol Serena Williams. Spiel und Auftreten der 20-Jährigen begeistern.
New York/Wien. Serena Williams ist die Grande Dame des Tennissports und greift im Finale der US Open heute (22 Uhr, live in ORF Sport+, Eurosport) nach ihrem bereits 24. Grand-Slam-Titel. Mit diesem würde die US-Amerikanerin, 36, knapp ein Jahr nach der Geburt ihrer Tochter Olympia den Allzeitrekord von Margaret Court (AUS) einstellen. Ihr entgegen stellt sich im Duell der Generationen die Japanerin Naomi Osaka. Als Williams 1998 ihr erstes Major-Match gespielt hat, war Osaka gerade einmal drei Monate alt. Mehr als 20 Jahre später steht die Asiatin mit US-amerikanischen Wurzeln und Pass in ihrem ersten Grand-Slam-Finale ihrem Idol gegenüber.
Osaka könnte die Serie im Damentennis fortsetzen: Bei den vergangenen sieben Grand-Slam-Turnieren gab es – auch bedingt durch Williams' Babypause – stets verschiedene Siegerinnen. Neben dem US-Star trugen sich Jelena Ostapenko (LAT), Garbiñe Muguruza (ESP), Sloane Stephens (USA), Caroline Wozniacki (DEN), Simona Halep (ROU) und Angelique Kerber (GER) jeweils einmal in die Siegerlisten ein. Kritiker sehen in dieser Vielfalt zugleich die größte Schwäche: Dem Damentennis fehlt neben Serena Williams eine konstante Größe. Osaka, da sind sich die Experten einig, bringt das Potenzial mit, kein One-Hit-Wonder, sondern ein künftiger Tennisstar zu werden.
Die „Unschuld“ auf dem Platz
Die Tochter einer Japanerin und eines Haitianers kam 1997 in Osaka zur Welt und bekam schon aus Gründen der einfacheren Aussprache den Geburtsnamen der Mutter in den Geburtsschein eingetragen. Im Alter von drei Jahren übersiedelte die Familie erst nach New York und dann nach Florida, wo Osaka mit ihrer drei Jahre älteren Schwester Mari die Begeisterung für Tennis entdeckte. 2014 gab die japanisch-amerikanische Doppelstaatsbürgerin ihr Debüt auf der WTA-Tour – auf Entscheidung ihres Vaters für ihr Geburtsland.
In den folgenden Jahren arbeitete sich Osaka in der Weltrangliste kontinuierlich nach vorn und zeigte 2018 erstmals auf ganz großer Bühne auf. Bei den Australian Open im Jänner erreichte sie die vierte Runde, in der sie sich der früheren Weltranglistenersten Halep schließlich geschlagen geben musste. Danach feierte sie in Indian Wells ihren ersten Turniersieg und schlug kurz darauf in Miami in Runde eins mit Serena Williams ihr Idol. Diese Erfolge katapultierten sie im Ranking nach vorn und verhalfen ihr in New York zur Setzung als Nummer 20. Nach Abwehr aller 13 Breakbälle in ihrem Halbfinale gegen Madison Keys gelang ihr vor den Augen ihrer Eltern als erster Japanerin der Einzug in ein Grand-Slam-Finale.
„Naomi ist eine von diesen Personen, die die große Bühne braucht. Dort spielt sie immer besser“, erklärte ihr Coach Sascha Bajin, mit dem die Japanerin seit diesem Jahr zusammenarbeitet. Der Münchner war zwischen 2007 und 2015 Teil des Betreuerteams von Serena Williams und damit bei zwölf ihrer 23 Grand-Slam-Titel dabei. Er weiß also ganz genau, worauf es ankommt, und ist von seinem Schützling angetan. „Was ich an Naomi liebe, ist, dass sie sich irgendwie ihre Unschuld behalten hat. Wenn sie traurig ist, zeigt sie es, wenn sie glücklich ist, zeigt sie es. Da gibt es keine falschen Emotionen“, meinte der 33-Jährige. Damit konnte Osaka, die Japanisch versteht, aber lieber auf Englisch spricht, herzlich wenig anfangen. „Ich weiß nicht. Manche Leute sagen, ich wäre naiv. Kleine Babys, die gerade geboren wurden, sind unschuldig“, meinte die 20-Jährige.
Schritte zur Nummer eins
Die Gegner auf dem Platz aber bekommen weniger Osakas gutmütige Art denn ihren Killerinstinkt zu spüren. So servierte sie in Flushing Meadows die Weißrussin Aljaksandra Sasnowitsch in Runde drei eiskalt mit 6:0, 6:0 ab. Die Rechtshänderin kombiniert einen starken Aufschlag mit variantenreichem, aggressivem Spiel.
Das erste Grand-Slam-Finale gegen Williams ist das große Highlight, im Fall des Triumphs würde Osaka bis auf Platz sieben in der Weltrangliste vorstoßen. Die Ziele sind freilich noch größere. „Wie alle Jungen möchte ich die Nummer eins werden“, erklärte sie. „Ich weiß, dass ich in der Lage dazu bin, aber ich möchte mir selbst nicht zu viel Druck aufbauen. Ich bin dankbar dafür, wo ich stehe, und gehe Schritt für Schritt.“ (swi)
AUF EINEN BLICK
Naomi Osaka, 20, steht als erste Japanerin im Finale der US Open und spielt heute gegen Serena Williams um ihren ersten Grand-Slam-Titel. Mit einem Triumph würde die Tochter einer Japanerin und eines Haitianers, die auch die US-Staatsbürgerschaft besitzt, erstmals in die Top Ten vorstoßen.
Serena Williams, 36, greift in ihrem neunten Endspiel in New York nach dem 24. Majorsieg, mit dem sie den Rekord von Margaret Court einstellen würde.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2018)