Die Filzkugel im Rampenlicht

Rafael Nadal und der Stein des Anstoßes.
Rafael Nadal und der Stein des Anstoßes.REUTERS
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In Melbourne sind erstmals Dunlop-Bälle im Einsatz, zahlreiche Profis verteufeln die neuen Geschosse, Roger Federer nimmt Anpassungen vor. Wie entscheidend ist das Fabrikat?

Melbourne/Wien. Dominic Thiem ist auf dem Tennisplatz kein Freund von allzu schnellen Verhältnissen, und so könnte ihm eine umstrittene Neuerung bei den Australian Open durchaus in die Karten spielen: die Bälle. Seit heuer wird in Melbourne mit Filzkugeln aus dem Hause Dunlop gespielt, die Organisatoren einigten sich mit der britischen Traditionsmarke (mittlerweile in japanischer Hand) auf eine Zusammenarbeit bis 2023. Zur Veranschaulichung: In den zwei Wochen eines Grand-Slam-Turniers werden rund 50.000 Tennisbälle verbraucht.

Die ersten Reaktionen auf die neuen Bälle aber waren durchwegs negativ. Sie würden sich schnell abnützen, Fusseln bilden und dadurch größer und langsamer werden. Sie seien schlichtweg „tot“, besonders bei niedrigen Temperaturen sei es unmöglich, Druck zu erzeugen. „Schrecklich“, meinte der Australier Bernard Tomic und erklärte, seines Wissens seien die Dunlop-Bälle „ziemlich billig“. Landsmann John Millman, der bei den jüngsten US Open immerhin Roger Federer verabschiedet hatte, bedachte die neuen Geschosse mit Kraftausdrücken. Turnierdirektor Craig Tiley sah sich gezwungen, seinen neuen Deal zu verteidigen.

Thiem-Coach Günter Bresnik hingegen meint, die neuen Bälle könnten dem Spiel seines Schützlings zugutekommen. Der Weltranglistenachte aus Niederösterreich trifft am Donnerstag (8 Uhr, live Eurosport, Servus TV) in Runde zwei auf den 19-jährigen Australier Alexei Popyrin (ATP 149).

Federers Rezept

Roger Federer hat die vergangenen beiden Auflagen der Australian Open noch mit Wilson-Bällen gewonnen. „Als ich hörte, dass sie nicht mehr verwendet werden, dachte ich: Oh Gott, oje“, erzählte der Schweizer bei einer Pressekonferenz in Melbourne. Mittlerweile hat sich der 37-Jährige an die Dunlop-Bälle gewöhnt, hat mit ihnen bereits Anfang Jänner den Hopman Cup in Perth gewonnen. Sein Zweitrundenerfolg in Melbourne über den Briten Daniel Evans (ATP 189) war dennoch durchaus umkämpft (7:6 (5), 7:6 (3), 6:3). Es seien schon gewisse Anpassungen nötig, meinte Federer. Die neuen Bälle würden den Drall weniger annehmen, es sei besser, flach und schnell zu spielen, als auf Slice oder Topspin zu setzen. „Wenn man viele lange Ballwechsel hat, werden sie mit der Zeit immer langsamer, speziell abends. Und irgendwann denkst du: Wie viele gute Bälle muss ich denn noch schlagen, damit ich einen Punkt gewinne?“

Mit Ausnahme der ATP-Finals in London (Dunlop) kann jedes Turnier selbst entscheiden, mit welchen Bällen gespielt wird. Bei den French Open werden Bälle von Babolat über die Sandplätze gejagt, das Aufschlaggewitter in Wimbledon geht traditionell seit 1902 mit Slazenger-Bälle über die Bühne, die US Open setzen auf Wilson-Fabrikate.

Die Vorlieben der Profis sind unterschiedlich. Dominic Thiem etwa hat seinen bisher letzten Turniersieg im September 2018 in St. Petersburg mit Head-Bällen gefeiert. Wilson-Bälle schätzt er, jene von Penn, die bei einigen US-Turnieren gespielt werden, seien hingegen „für die Mülltonne“. Bei den Heimturnieren bekommt er es mit Dunlop- (Wien) und Babolat-Bällen (Kitzbühel) zu tun.

Auf der ATP-Tour ist Dunlop auf dem Vormarsch, nun dürfen die Japaner auch den offiziellen „Australian-Open-Ball“ vertreiben (hierzulande ist die 4er-Dose um 6,90 Euro erhältlich). Gefertigt wird er auf den Philippinen, wie bei allen Tennisbällen üblich, wird eine Filzschicht auf einen mit zahlreichen Chemikalien versetzten Naturgummi aufgezogen.

Auch haben in Melbourne nicht alle die neuen Geschosse gleich verteufelt. Australiens Hoffnungsträgerin Ashleigh Barty meinte: „Ich mag sie. Sie sind nicht viel anders als die Wilson-Bälle, ich denke, es ist ein fairer Ball.“

2. Runde, Herren (Auswahl): Nadal (ESP-2) – Ebden (AUS) 6:3, 6:2, 6:2, Federer (SUI-3) – Evans (GBR) 7:6 (5), 7:6 (3), 6:3, Tiafoe (USA) – Anderson (RSA-5) 4:6, 6:4, 6:4, 7:5, Čilić (CRO-6) – McDonald (USA) 7:5, 6:7 (9), 6:4, 6:4.

Damen (Auswahl): Kerber (GER-2) – Maia (BRA) 6:2, 6:3, Wozniacki (DEN-3) – Larsson (SWE) 6:1, 6:3, Stephens (USA-5) – Babos (HUN) 6:3, 6:1.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2019)

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