Es war einmal der Daviscup

Heimspiele wie gegen Chile in Salzburg wird es in Zukunft durch die Daviscup-Reform seltener geben.
Heimspiele wie gegen Chile in Salzburg wird es in Zukunft durch die Daviscup-Reform seltener geben.APA/BARBARA GINDL
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Ausgerechnet Fußballstar Gerard Piqué revolutioniert den Tennissport. Aber was bringt die radikale Daviscup-Reform außer einen absurden Geldregen von drei Milliarden Dollar?

Am 16. August des Vorjahres, einem Donnerstag, waren 118 Jahre Tennisgeschichte urplötzlich wie ausgelöscht. Bei der Generalversammlung des Internationalen Tennisverbandes (ITF) in Orlando hatten 71 Prozent der nationalen Verbände einer umfassenden Reform des Daviscups zugestimmt, dafür nötig gewesen war eine Zweidrittelmehrheit. Seitdem ist im ältesten, regelmäßig ausgetragenen Teambewerb der Welt nichts mehr so, wie es einmal war.

In der Weltgruppe, der Liga der besten Nationen, gibt es wie dieser Tage nur noch ein Heim- beziehungsweise Auswärtsspiel. Es entscheidet darüber, wer sich für das neu geschaffene Finalturnier Ende des Jahres in Madrid qualifiziert. Heimvorteil hat bei diesem Event in Madrid, das zunächst in sechs Dreiergruppen und mit nur zwei Einzel und einem Doppel ausgetragen wird, einzig Gastgeber Spanier. Der „best-of-five“-Modus ist Geschichte, fortan wird nur noch auf zwei Gewinnsätze gespielt. Die Traditionalisten haben sich auch heute, Monate nach dem Entschluss der ITF, noch nicht beruhigt. Die Reform sei „lächerlich“, betonte Australiens Kapitän Lleyton Hewitt, ein Patriot durch und durch, vor wenigen Tagen abermals mit Nachdruck.

Doch was steckt überhaupt hinter der Idee, dem Daviscup seinen ursprünglichen Reiz zu nehmen? Die Antwort ist simpel: Ein ausgeprägter Geschäftssinn. Gerard Piqué ist nicht bloß ein talentierter Fußballer, er ist auch ein gewiefter Geschäftsmann, der den Stein der radikalen Veränderung erst so richtig ins Rollen gebracht hat. Mit der von ihm gegründeten Investmentgruppe Kosmos hatte Piqué dem Weltverband für den Daviscup surreal anmutende drei Milliarden US-Dollar (2,6 Milliarden Euro) für die kommenden 25 Jahre in Aussicht gestellt. Ein schmackhafter Köder, der wenig überraschend seine Abnehmer fand. Ein erheblicher Teil der jährlich an die ITF ausgeschütteten 120 Millionen Dollar geht an die nationalen Verbände, es locken saftige Prämien für die Teilnahme am Finalturnier (auch für die Spieler).

Selbst in den Zonen unterhalb der Weltgruppe wird sich der große Geldregen beträchtlich auf die zahlreichen Nationalverbände auswirken. Genaue Summen werden nicht genannt, es soll sich aber allein in der Europa-Afrika-Zone, also in der Zone unterhalb der Weltgruppe, um das Fünf- bis Sechsfache handeln. Die Geldströme waren für das Votum entscheidend, daran gibt es keinen Zweifel.


„Er hat keine Ahnung.“ Dass ausgerechnet der Fußballprofi Piqué den Tennissport revolutionieren möchte, stößt bei vielen Tennisassen naturgemäß auf wenig Gegenliebe. „Das ist so, als würde ich Dinge bei der Fußball Champions League verändern wollen“, fauchte Hewitt. „Piqué weiß nichts über Tennis.“ Bereits im Vorjahr hatte Roger Federer seinen Unmut geäußert, als er im Schweizer Fernsehen sagte: „Es ist etwas seltsam für uns Tennisspieler, in unsere Welt einzudringen. Er muss sehr aufpassen, der Daviscup kann nicht der Piqué Cup werden.“ Federer griff wie viele andere Topstars an diesem Wochenende nicht zum Schläger, verfolgt allerdings auch Eigeninteressen. Denn Piqués Wunschtermin für das Daviscup-Finalturnier wäre der September, in dem allerdings bereits der Laver Cup, Federers „Baby“, stattfindet.

Die Aufregung um die Reform hat sich jedenfalls noch längst nicht gelegt. Es sind keineswegs bloß ehemalige Stars des Spiels wie John McEnroe, die die Reform scharf kritisieren, vor wenigen Tagen meldete sich auch der Weltranglistendritte Alexander Zverev abermals zu Wort. „Ich mag das neue System gar nicht und hoffe, dass das alte mit den Heimspielen wieder zurückkommt.“ Für Zverev habe der Daviscup „ein bisschen an Wert verloren.“ Der 21-Jährige hatte frühzeitig zu verstehen gegeben, im Falle einer Qualifikation Deutschlands nicht am Finalturnier in Madrid von 18. bis 24. November teilzunehmen. Der Grund: Zverev befindet sich zu dieser Zeit im wohlverdienten Urlaub. Unmittelbar nach den World Tour Finals in London (10. bis 17. November) wird Zverev gewiss nicht der einzige Topstar sein, der einen weiten Bogen um Spaniens Hauptstadt macht. Die ohnehin schon (zu) lange Saison geht durch den Daviscup sogar um eine weitere Woche in die Verlängerung.

Für Alexander Antonitsch, Turnierdirektor in Kitzbühel, ist die Reform des Daviscups „nicht durchdacht“. Dass der frühere Modus nicht mehr zeitgemäß war, Topspieler auch ob der zu hohen Belastungen häufig fernblieben, hatte allen Beteiligten zwar zu denken gegeben, „aber das, was jetzt daraus gemacht wurde, ist nicht mehr der Daviscup.“ Die spezielle Atmosphäre von Heim- und Auswärtsspielen hätten den Reiz des Länderkampfs erst ausgemacht. „Die Chilenen müssen zu uns, wir einmal nach Uruguay. Auch wenn es nicht immer angenehm ist oder in den Terminkalender passt, aber das ist Daviscup.“ Nun könne es passieren, dass in Madrid Kroatien gegen Argentinien spielt. „Und dann lass die Topleute Čilić und del Potro nicht spielen, dann jubel ich als Fan . . .“

Um den Daviscup wieder zu beleben, hätte es womöglich Sinn gemacht, ihn nur alle zwei Jahre auszutragen, glaubt Antonitsch. Die Spieler seien jedenfalls nicht in die Entscheidungsfindung miteingebunden worden. „Mit dem kürzeren Format und nur zwei Tagen und 'best-of-three' hätten die meisten wohl noch leben können.“

2:1

18

Daviscup

führte Österreich im Daviscupduell mit Chile in Salzburg bei Redaktionsschluss.

Am Samstag hatten im ersten Spiel des Tages Jürgen Melzer/Oliver Marach das Doppel gegen Hans Podlipnik-Castillo/Marcelo Barrios

Vera mit 6:4, 2:6, 7:5 gewonnen. Im Anschluss hatte Dennis Novak gegen Nicolás Jarry die Chance, den Länderkampf frühzeitig zugunsten der Österreicher zu entscheiden.

Mannschaften werden am neu initiierten Finalturnier in Madrid (18.–24.November) teilnehmen. Neben Gastgeber Spanien sind die Vorjahreshalbfinalisten USA, Kroatien und Frankreich fix qualifiziert, Argentinien und Großbritannien erhielten vom Internationalen Tennisverband (ITF) Wildcards.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2019)

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