Daniil Medwedew: Folgen und Last großer Siege

Daniil Medwedew und die etwas eigenwillige Trophäe für den Turniersieg in Cincinnati.
Daniil Medwedew und die etwas eigenwillige Trophäe für den Turniersieg in Cincinnati.(c) USA TODAY Sports (Aaron Doster)
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Der Turniersieg in Cincinnati hat Daniil Medwedew in den Favoritenkreis der am Montag beginnenden US Open gehievt. In New York wird der Russe nicht mehr so unbeschwert aufspielen.

Cincinnati/Wien. Tennisprofis unterliegen für gewöhnlich Formzyklen, selbst die Weltbesten hadern zuweilen mit Schwächephasen. Umso beeindruckender ist die gegenwärtige Konstanz eines Mannes: Der Russe Daniil Medwedew hat am Sonntag mit dem Sieg in Cincinnati (7:6, 6:4 im Finale gegen David Goffin) seinen jüngsten Erfolgslauf gekrönt und erstmals bei einem ATP-1000-Turnier triumphiert. In den beiden Wochen zuvor war er in Washington und Montreal bis ins Endspiel vorgedrungen, in 20 Tagen hat er 18 (!) Matches bestritten. Niederlagen setzte es für den 23-Jährigen nur gegen Nick Kyrgios (Washington) und Rafael Nadal (Montreal).

Mit drei Assen in Serie setzte Medwedew in Cincinnati einen Schlusspunkt hinter das Match gegen Goffin, die Reaktion auf den bisher bedeutsamsten Sieg seiner Karriere fiel überraschend bescheiden aus. Keine Spur von Euphorie, kein Freudenschrei, nach dem verwandelten Matchball ballte er bloß für einen kurzen Augenblick die Faust und blickte in seine Box. Medwedew, das gestand er wenig später, hatte einfach keine Kraft mehr, um im großen Stil zu feiern. Er war einfach nur froh, dass dieses Spiel zu Ende war.

In den finalen Minuten hatte der Mann aus Moskau „Krämpfe im ganzen Körper“ registriert, die Anstrengungen der vergangenen Wochen waren nicht spurlos an ihm vorbeigezogen, das sollte die Konkurrenz zumindest ein klein wenig beruhigen. Medwedew, das steht jedoch unbestritten fest, ist der Mann der Stunde auf der Tour. Ausgestattet mit unendlich viel Selbstvertrauen hatte er im US-Bundesstaat Ohio unter anderem auch den Weltranglistenersten, Novak Djoković, zu Fall gebracht.

Innerhalb von nur drei Wochen hat Medwedew 1900 Weltranglistenpunkte eingespielt. Zum Vergleich: Für einen Grand-Slam-Erfolg gibt es 2000. In der Weltrangliste lacht der Moskowiter seit Montag von Platz fünf, auf den vor ihm liegenden Dominic Thiem fehlen ihm noch 730 Punkte.

Der Belgier David Goffin erklärte den Spieler Daniil Medwedew nach der Finalniederlage wie folgt: „Er ist super solide, macht keine Fehler. Es ist, als würdest du gegen eine Wand spielen. Er spielt nicht allzu schnell, aber auch nicht langsam, das Tempo gegen ihn ist ziemlich speziell. Daniil ist einfach unglaublich konstant, dazu kommt sein Selbstvertrauen. Deswegen tut sich jeder momentan so schwer.“

Für die am Montag beginnenden US Open in New York muss Medwedew nach den Vorstellungen der vergangenen Tage und Wochen zum Kreis der Titelanwärter gezählt werden, wenngleich er auf Grand-Slam-Ebene bislang noch nicht zu glänzen wusste. Sein bestes Resultat war ein Achtelfinale bei den Australian Open Anfang des Jahres.

Vom Center Court ins Bett

Der fünffache ATP-Turniersieger mag zwar aktuell das beste Tennis seiner Karriere spielen, bei den US Open kommen aber gleich zwei Faktoren erschwerend hinzu. Erstens: die Strapazen der bisherigen Überseetournee. Medwedew hat noch nie zuvor derart viele Matches in so kurzer Zeit bestritten und nun nur eine Woche Zeit, um körperlich wieder bei 100 Prozent zu sein. Nach dem Finale sagte er: „Ich mus einfach 24 Stunden nur im Bett bleiben und fernsehen. Ich hoffe, ich bin bis zu den US Open wieder frisch.“

Zweitens: Medwedew, der im Oktober auch bei den Erste Bank Open in der Wiener Stadthalle aufschlagen wird, startet erstmals als Mitfavorit in ein Grand-Slam-Turnier. Viele Augen werden auf ihn gerichtet sein, Außenseiter wäre er nur in möglichen Duellen gegen die Superstars Djoković, Rafael Nadal und Roger Federer. Mental ist es fortan ein völlig anderes Spiel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2019)

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