Eishockey-Cracks statt Gladiatoren

EishockeyCracks statt Gladiatoren
EishockeyCracks statt Gladiatoren(c) AP (Darko Bandic)
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Mit zwei Ligaspielen im Amphitheater von Pula gelang Zagrebs Klubchef Damir Gojanović Außergewöhnliches. Eishockey bei 23 Grad, mit historischer Kulisse und Gästen in Badehosen.

Das Kolosseum in Rom, Veronas Arena, Pompeji, Nîmes, Arles oder El Djem in Tunesien – allesamt sind beeindruckende Bauten mit großem historischen Background. In dieser Riege darf freilich auch das 68 vor Christus fertiggestellte römische Amphitheater von Pula nicht fehlen, doch das Prunkstück der kroatischen Küstenstadt ist seit diesem Wochenende um ein weiteres Kapitel reicher. Denn mit zwei Eishockeyspielen der Erste-Bank-Liga wird nicht nur versucht, dem Sport neue Impulse mit außergewöhnlichen Spielstätten zu geben, sondern auch, einen Teil der Geschichte in der Gegenwart neu zu erleben. Aber statt Gladiatoren laufen Eishockey-Cracks auf.

Der Zagreber Eishockeyverein Medveščak unternimmt alles, um weiterhin in der Gunst seiner Anhänger und potenzieller Finanziers zu steigen, um das „Match um Sponsoren“ gegen die Fußballvereine zu gewinnen. Lockte der Klub im Vorjahr noch in die eigens für die Handball-WM gebaute Zagreb-Arena und begeisterte in jedem ausverkauften Spiel 15.000 Zuschauer, so soll nun in Partien gegen Laibach und heute gegen die Vienna Capitals (Puckdrop: 20.30 Uhr, Servus TV, live) auch noch eine bislang unvorstellbare Kulisse beste Werbung für die Region machen.


7022 Auserwählte. Billig ist das Unterfangen nicht, über 500.000 Euro Budget musste Klubchef Damir Gojanović für das dreitägige Event auf die Beine stellen. Es sei aber „gut angelegtes Geld, ein Topinvestment“, sagt Gojanović. „Die Bilder vom Eishockey in einer Arena, in der Gladiatoren gekämpft haben, gehen um die Welt.“

7022 Zuschauer finden in der römischen Arena Platz, die Tickets kosteten zwischen 25 und 83 Euro – und waren im Nu ausverkauft. Gojanović ist zufrieden, diese Galavorstellungen sind ein Gewinn. „Zudem, wer kann von sich schon behaupten, mit der Badehose zu einem Eishockeyspiel gefahren zu sein?“ An der Adria-Küste wurden für Sonntag 23 Grad erwartet...


113.411 Fans, Rekord! Freiluftspiele, in Amerika als „Winter Classic“ bekannt, locken die Massen an. 100.000 Zuschauer drängten in Football-Stadien, um dort Eishockey zu sehen. 2010 probierte es auch der KAC und lockte 30.000 Fans zum Derby gegen den VSV in das Klagenfurter Euro-Stadion. Doch mit dem Versuch, Checks und Schlagschüsse in einem historischen Monument an der Adriaküste zu veranstalten, betritt jeder noch so versierte Eventguru Neuland.

Seit 2003 veranstaltet die National Hockey League an ausgewählten Orten in Amerika ein „Winter Classic“, seit 2008 erfolgt der Freiluftauftritt traditionell am Neujahrstag. Den Rekord sicherten sich die Pittsburgh Penguins und Thomas Vaneks Buffalo Sabres, die 71.127 Zuschauer begeisterten. Im Guinness Book of Records stehen aber zwei Collegeteams. 113.411 Menschen strömten 2011 ins Michigan-Stadium von Ann Arbour zum Duell von Michigan und Michigan State.

Von solchen Zahlen will man im 60.000Einwohner zählenden Pula nicht einmal träumen. Im Sommer sind Touristen stets willkommen, aber in das Amphitheater passen eben nur 7022 Fans. Mehr will man auch nicht, Flair und Ambiente zuliebe – manchmal ist weniger eben mehr.

Zum Schutz der „Fassade“ und des profunden Set-ups des Eisrink wurde schon am 1.September mit den Aufbauarbeiten begonnen. Die Eisfläche misst 57x26 Meter und ist damit sogar um einen Meter länger als vom Internationalen Verband vorgeschrieben. Die Eisdicke soll zwischen sechs und acht Zentimetern liegen; damit es auch stabil bleibt und nicht bricht, sind 15.000 Liter des in Österreich seit dem Weinskandal bekannten Glycols und 30.000 Liter Wasser für den Gefrierprozess vonnöten.

Das Glycol läuft durch insgesamt 2450 Meter lange Rohre entlang der Spielfläche, darüber wird das in einer Lagerstätte nahe Pula gesammelte Regenwasser umweltfreundlich zu Eis. Das Eis wird auf minus 12 Grad gekühlt und tagsüber mit einer 1800 Quadratmeter großen Folie vor der Sonne geschützt. Rundherum bilden 150 Tonnen Equipment – also Stahlträger, Rohre, Tribünenplatten etc. – das Stadion. Damit alles den richtigen Anstrich erhält, wurden 100 Liter Farbe verbraucht. Also fallen dort, wo unter anderem auch schon Luciano Pavarotti, José Carreras oder Elton John die Töne perfekt trafen, harte Schlagschüsse.


Angst um den Rasen.
In Wien gibt es kein Amphitheater, dafür aber ein ganz anderes Theater. Die Vienna Capitals erwogen aufgrund des Interesses an solchen Freiluftspektakel, zu Neujahr in Wien Hütteldorf zwei Spiele zu veranstalten. Präsident Hans Schmid ist nicht nur ein Geschäftsmann, sondern auch ein Eishockey-Liebhaber, der nichts unversucht lässt, um den Sport zu beleben und seinen Klub mit Popularität auszustatten. „Es wäre ein tolles Erlebnis geworden“, sagt Schmid und blickt ohne Groll zurück. „Rapid hat aber abgelehnt, weil der Verein Angst um seinen Rasen hat. In Klagenfurt hat sich keiner darum Sorgen gemacht. Warum, weiß ich nicht.“

Ein spezielles Erlebnis wäre es auch gewesen, hätte man es geschafft, das Happel-Stadion nach dem Fußballländerspiel gegen Deutschland in eine Eishockey-Arena zu verwandeln. Denn am Dienstag kommt es in Wien bereits zum nächsten Vergleich mit Deutschland, diesmal aber anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums des Eishockeyverbandes. Doch ähnliche Rasensorgen, finanzielle Risken und auch die Erkenntnisse aus der WM 2005, als mehrfach die Qualität einer viel zu spät aufgetragenen Eisfläche bemängelt worden war, erstickten vermutlich sämtliche Fantasien schnell im Keim. Also steigt die Partie am Dienstag (Puckdrop: 19.15 Uhr) in der neuen Eisarena in Kagran, sehr zur Freude des Hallenbetreibers, den Vienna Capitals.

Weitere Projekte, in Wien vielleicht doch noch ein „Winter Classic“ zu veranstalten, sind vorerst auf Eis gelegt, sagt Schmid. Er wolle lieber alles daransetzen, laufend 7000 Zuschauer in der Halle empfangen zu dürfen.

Die Capitals wurden dennoch von den Kroaten neben dem Nachbarn aus Laibach für das Pula-Event als Gegner ausgewählt. Wiens Gladiatoren sind offenbar das Kapital der Liga.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2012)

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