Das Ende der Olympia-Abfahrt

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Ski alpin. Trendsportarten, stark sinkende TV-Quoten und Finanzpläne drängen Klassiker wie die Abfahrt bei Olympia ins Abseits. ÖSV-Chef Peter Schröcksnadel will mit Reformen gegensteuern.

Wien. Toni Sailer (1956), Egon Zimmermann (1964), Franz Klammer (1976), Leonhard Stock (1980), Patrick Ortlieb (1992), Fritz Strobl (2002) und Matthias Mayer (2014) gewannen Gold in der für Österreicher als „Königsdisziplin“ geltenden Abfahrt. Das Verlangen nach Höchstgeschwindigkeit, Meistern enger Kurven und das Stehen weiter Sprünge verleiht dieser Disziplin hierzulande ihren Reiz. Wer kapitale Stürze wegstecken kann wie Hermann Maier 1998 in Nagano, muss gar nicht gewinnen, um trotzdem als „Held“ zu gelten.

Nun droht der Abfahrt bei Winterspielen das Aus. Die Modernisierung des Olympiaprogramms bedroht nicht nur den Klassiker, auch Skispringen von der Normalschanze und ein Langlaufbewerb sollen gestrichen werden, verriet FIS-Präsident Gian-Franco Kasper. Kein 50-Kilometer-Marathon mehr, kein 90-Meter-Springen – der Widerspruch in der Sportwelt ist überaus verhalten. Aber die Empörung über das mögliche Aus der Abfahrt ist gewaltig.

Der Grund für diese IOC-Reform liegt auf der Hand: Es geht um Geld. Der Verkauf der TV-Rechte beschert Rekordeinnahmen. Für den Zeitraum 2017–2020, also für die Winterspiele 2018 in Pyeongchang sowie die Sommerspiele 2020 in Tokio, sind 4,1 Milliarden Euro fixiert worden. Das sei noch immer nicht genug, so die Olympia-Macher – also müssen unpopuläre Sparten neuen Trendsportarten weichen.

„Einschaltquoten sinken!“

„Ich habe seit Jahren davor gewarnt“, ist auch ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel über die Entwicklung keineswegs erfreut. „Nur sieben bis neun Länder interessiert die Abfahrt, sie ist schwer zu verkaufen – in diesem Format gar nicht. Sogar in der faden Formel 1 fährt der Beste als Erster weg . . .“

Es bestehe Handlungsbedarf, sagte der Tiroler, 74, und versprach sich beim FIS-Kongress für Reformen starkzumachen. Der Fortbestand sei jedoch nur durch ein attraktiveres TV-Format gewährleistet. „Die Athleten wollen nicht glauben, dass es ein Problem ist. Aber das Interesse am Abfahrtssport hat nachgelassen!“ Dieser Tatsache müsse man sich stellen, sagte Schröcksnadel beim ÖSV-Heurigen in Wien.

Klassiker wie Kitzbühel, Gröden oder Garmisch seien globale Selbstläufer, der Fanzustrom ungebrochen. Doch bei Olympia fehlt dieses Interesse. Das ist auch exotischen Austragungsstätten wie Sotschi oder der Zeitverschiebung geschuldet – die Bürokratie des IOC reagiert ausnahmslos auf die für ihre Geschäfte relevanten Tendenzen. Schröcksnadel: „Die Einschaltquoten sind gesunken.“

Der ÖSV-Präsident macht vorwiegend das Format der Abfahrt für diese Problematik verantwortlich. Man müsse überall und jederzeit sehen, warum ein Fahrer schneller sei. Die „leidige Startreihenfolge“ müsse fallen, die Nummern müssten verlost werden, „um 30 Starter lang Spannung zu haben, und nicht erst bei den letzten sieben bis fünf. Wenn man weiß, dass ab 16 die Guten starten, schaltet man bei zwölf ein und bei 25 wieder ab.“ Kürzere Rennen, zwei Durchgänge, das Training als Qualifying, der Tiroler hatte viele Ideen. Gespräche mit FIS-Direktor Hannes Trinkl gab es schon, nur das Alpin-Komitee schwieg. „Die Klassiker müssen wir fahren, wie wir sie immer gefahren sind. Aber sonst muss die Skiszene umdenken.“

Wann ist das Olympia-Aus zu erwarten? 2018 wird es einen Abfahrtschampion geben, 2022 in Peking womöglich nicht mehr. Ein für das IOC „günstiger“, eventuell eingeplanter Augenblick: Der verlangte Höhenunterschied (FIS-Regel § 701.1.1; 800–1100 Meter) ist auf dem Kunstschneehügel bei Zhangjiakou nicht gegeben . . .

AUF EINEN BLICK

Abfahrtsrennen sollen ab Peking 2022 aus dem Olympiaprogramm fallen. Fehlendes globales Interesse, sinkende TV-Quoten und der Aufstieg TV-tauglicher Trendsportarten sind Warnzeichen, sagt ÖSV-Chef Peter Schröcksnadel. Der Tiroler, 74, fordert Reformen und neue Formate. [ APA, Reuters ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2015)

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