Andreas Evers war Hermann Maiers Privattrainer, Chef der Elitegruppe WC4 und Coach von Bode Miller. Jetzt arbeitet er in der Schweiz – und hat mit Beat Feuz wieder einen Kitz-Favoriten.
Die Presse: Mit Hermann Maier und Michael Walchhofer haben zwei Ihrer ehemaligen Schützlinge in Kitzbühel gewonnen. Was braucht es für einen Streif-Sieg?
Andreas Evers: Zum einen musst du improvisieren können. Weil so, wie du es dir vornimmst, gelingt es nicht immer. Aber du musst immer auch einen Plan B haben. Wenn ich den oberen Teil hernehme, U-Hakerl, Steilhang oder auch hinunter zum Hausberg, dort kann man schnell von der Linie abkommen, dann braucht es Plan B. Auch sonst musst du natürlich alles mitbringen. Vor allem viel Mut.
Beat Feuz hat diese Qualitäten?
Ja, vergangenes Jahr hat er das gezeigt (Feuz kam mit überlegener Bestzeit in der Traverse zu Sturz, Anm.). Aber es gibt natürlich einige Passagen, an denen immer wieder Fehler passieren können. Für den Sieg gibt es vier, fünf Kandidaten.
Welche denn?
Aksel Lund Svindal, Matthias Mayer, Hannes Reichelt, die schätze ich sehr stark ein. Hier kommt noch ein Christof Innerhofer dazu. Und über Dominik Paris brauchen wir gar nicht reden.
Womit kann ein Trainer den Ausschlag geben? Mit dem richtigen Plan B?
Ja, das wird schon besprochen. Was passiert, wenn man von der Linie abkommt, wo gibt es wieder einen Anhaltspunkt, wie kann ich trotzdem Speed mitnehmen, auf Geschwindigkeit bleiben.
Abgesehen davon haben Sie als Schweizer Speedchef keine leichte Aufgabe. Hinter Feuz, er gewann in Wengen und Lake Louise, fehlt doch die Breite.
Da kommen schon welche. Die Jungen machen ihre Sache gut. Wir haben einfach eine extrem unerfahrene Mannschaft. Ich habe mich in Wengen selbst gewundert, dass dort die Hälfte von uns noch gar nie heruntergefahren ist. Ähnlich in Kitzbühel. Aber ja, dadurch, dass Carlo Janka ausgefallen ist, haben wir ganz in der Spitze momentan nur Beat. Es entwickeln sich einige ganz gut, aber das dauert einfach. Bis sie konstant vorn mitfahren, wird noch Zeit vergehen.
Haben Sie vom Schweizer Verband Zielvorgaben erhalten?
Ich versuche einfach, die Leute weiterzuentwickeln. Alle schaffen es dann nicht. Aber es sind sicher welche dabei, die das Zeug für die Spitze haben. Und das zu verfolgen ist das Spannende als Trainer. Weiterentwickeln und schauen, wo man schlussendlich steht. Eine interessante, fordernde Aufgabe.
Wie wird ein junger Athlet eigentlich zu einem Weltklasseabfahrer?
Durch gutes Training natürlich. Und durch die Erfahrung, die sie einfach im Winter bei den Rennen sammeln. Was im Rennen passiert, kannst du gar nicht trainieren. Da ist einfach wichtig, dass sie alles mitnehmen, gut verarbeiten und dazulernen.
Wo sehen Sie sich in der Diskussion Teamgeist vs. möglichst individuelle Betreuung?
Man versucht, auf jeden einzelnen Athleten so gut wie möglich einzugehen. Aber gerade im Speedbereich ist der Teamgeist wichtig. Abfahrer sind anderen mentalen Belastungen ausgesetzt, da ist es wichtig, dass die Gruppe gut funktioniert und gegenseitiger Respekt herrscht. Sie müssen einander nicht alle mögen, aber Respekt muss da sein. Das ist im Speedbereich immer noch ein bisschen wichtiger als bei den Technikern.
Der Steirer Christian Mitter in Norwegen, der Vorarlberger Matthias Berthold in Deutschland, der Salzburger Andi Evers in der Schweiz, der Tiroler Patrick Riml in den USA – sind österreichische Trainer die besten?
Nein. Es gibt in allen Ländern gute. Aber die Konstellation ist einfach so. Im Speedbereich gibt es auch nicht so viele, die Erfahrung haben. Das ist auch immer wieder wichtig. Aber ich sage nicht, die Österreicher sind bessere Trainer. Das ist sicher nicht so.
Wie funktioniert das Trainerkarussell im Weltcup? Wird man angesprochen und abgeworben?
Ja, genau. Wenn Betreuer gesucht werden oder jemand das Gefühl hat, sich verändern zu wollen dann ergibt es sich immer wieder, dass man gefragt wird.
Ist eine Dominanz wie die Ihrer früheren ÖSV-Truppe mit Maier, Walchhofer, Benjamin Raich und Mario Matt heute noch denkbar?
Das war eher einmalig.
ZUR PERSON
Andreas Evers, 50 aus Flachau, ist Skitrainer und für über 100 Weltcupsiege seiner Schützlinge, darunter Hermann Maier, Michael Walchhofer, Benjamin Raich und Mario Matt verantwortlich.
Vom ÖSV wechselte er zum US-Skiteam, ehe ihn das Landesgericht Salzburg
2014 wegen Geldwäsche verurteilte. Er verbüßte seine Strafe, indem er drei Monate lang eine Fußfessel trug.
Danach führte er Tina Weirather zu Super-G-Kristall, seit 2017 ist er Herren-Speedchef bei Swiss Ski. [ APA ]
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2018)