Gesucht: Siegerinnen aus Österreich

Anna Veith hatte vor dem Saisonstart in Sölden jedenfalls gute Laune.
Anna Veith hatte vor dem Saisonstart in Sölden jedenfalls gute Laune.(c) APA/EXPA/MICHAEL GRUBER
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Vor dem Weltcupauftakt weiß Damen-Cheftrainer Jürgen Kriechbaum, dass erneut andere Nationen die RTL-Favoritinnen stellen. Sein Wunsch für Sölden? „Einfach weiter oben stehen.“

Sölden. Es ist wie jedes Jahr eine kritische Situation im österreichischen Skisport. Es herrscht wieder einmal auch eine gewisse Unruhe. Denn die Saison hebt am Samstag mit dem RTL der Damen auf dem Rettenbachferner Gletscher ob Sölden an. Da können zwar weder Veith, Gut, Holdener, Vlhova oder Shiffrin schon den Weltcup gewinnen respektive sich als WM-Tipp empfehlen, aber bereits sehr viel verlieren.

Wenn das Material zu wünschen übrig lässt, die Technik nicht stimmt; Nuancen können einen gravierenden Unterschied auslösen und viel Arbeit bescheren, ehe der Weltcup dann erst Mitte November in Levi, Finnland, seine Fortsetzung nimmt.

In dieser Saison, die im Februar 2019 mit der WM in ?re, Schweden, ihren Höhepunkt vorweist, ist es aus Sicht der ÖSV-Damen dann doch etwas anders. Die Ladys von Rennsportleiter Jürgen Kriechbaum haben nach ihrem überaus ernüchternden Tief nun neuen Mut gefasst. Er gehe davon aus, dass die Seinen „schon öfter vorn mitmischen“ werden, sagt er. Kriechbaum formulierte es aber höchst vorsichtig. Warum? Die Favoritinnen sind andere. Eine Österreicherin gehört wieder nicht dazu.

Die Beste? Schild wurde 14.

Kriechbaum ist seit 2013 Chef der ÖSV-Damen. Und er hat sich sein eigenes Ziel schon klar abgesteckt. Wieder im Disziplinen-Weltcup mitzureden, davon träume er. Der Blick in die weite Vergangenheit zeigt Kristallwelten für Anna Veith oder Eva-Maria Brem. Die nahe Wirklichkeit ist schmerzhaft: In den vergangenen zwei Saisonen holten seine Schützlinge keine einzige Kugel. Brems Kristall strahlt aus der Saison 2015/16 im Riesentorlauf. Bernadette Schild war im vergangenen Olympiawinter die beste Österreicherin im Gesamtweltcup. Sie wurde Gesamt-14., das ist die so beschwerliche Bestandsaufnahme, der sich Kriechbaum stellen muss. Darüber ist man im erfolgsverwöhnten Skiverband keinesfalls erbaut – und dem Trainer ist die Lage bewusst.

Die besten Chancen, in diesem Punkt zeichnet Kriechbaum ein gewisser Realismus aus, sehe er in den schnellen Disziplinen, in Abfahrt und Super-G. Und im Riesentorlauf, was geschieht in Sölden? „Da geht es darum, dass wir überhaupt wieder einmal auf das Podest fahren“, sagte der 51-jährige Tiroler mit Blick auf das vollkommen podestlose Vorjahr trocken. „Im Slalom ist die Konkurrenz mit Shiffrin, Holdener und Vlhova extrem stark.“ Die Favoritin stelle man nirgends.

Die Ausbeute fiel in dieser Sparte erfreulicher, aber nicht wirklich erfreulich aus mit neun Stockerlplätzen – zwei Siegen, zwei zweiten und fünf dritten Plätzen. Zuversicht gab dem Cheftrainer aber manch Überraschungsmoment bei den Winterspielen von Pyeongchang. „Bronze von Gallhuber im Slalom“ etwa, „und vor allem der Teambewerb, in dem unsere Mädchen die Akzente für Silber gesetzt haben“. Aber sonst? Kriechbaum hielt sich mit Prognosen sehr bedeckt.

Mit Cornelia Hütter und Anna Veith sehe er in Speedbewerben Licht am Ende des Tunnels. Tamara Tippler, Nicole Schmidhofer, Christine Scheyer, Ramona Siebenhofer oder Stephanie Venier nannte er auch. Es klang jedoch so, als wollte er sie der Vollständigkeit halber nicht unerwähnt lassen. In Sölden starten neben Brem, Veith und Schild noch Stephanie Brunner, Franziska Gritsch, Ricarda Haaser, Katharina Liensberger, Nina Ortlieb, Stephanie Resch und Julia Scheib.

Es fehlt einfach an Konstanz

Alle hätten ihr Potenzial aufblitzen lassen. In Summe mangelte es aber an Konstanz. Das unterscheide Seriensiegerinnen von Mitfahrerinnen. „Es gibt Läuferinnen, die sind ständig vorn, und es gibt welche, die sind hin und wieder vorn und dann wieder hinten. Wir müssen uns in die Topkategorie entwickeln“, meint Kriechbaum. Rot-weiß-rote Ambitionen auf den Gewinn des Gesamtweltcups gibt es daher keine. Auch das ist für Österreichs Skiseele eine erneut beklemmende Erkenntnis. Veith, Gewinnerin von 2013/14 und 2014/15, wiegelte im Vorfeld bereits ab. Die große Kugel sei schlichtweg „kein Thema“.

Die große Gejagte in dieser Saison ist einmal mehr Mikaela Shiffrin. Die Amerikanerin dominierte die Szene im Vorjahr mit über 600 Punkten Vorsprung. „Wenn sie einigermaßen einen Lauf hat, wird sie kaum zu biegen sein“, weiß Kriechbaum Bescheid. „Normalerweise gewinnt sie im Slalom sieben von neun Rennen.“

Die Disziplinensiegerinnen des Vorjahres, wie Tina Weirather (Super-G), Viktoria Rebensburg (Riesentorlauf) oder die kürzlich am Knöchel verletzte Sofia Goggia (Abfahrt) seien „zu dünn aufgestellt“, um Shiffrin Paroli bieten zu können. „Am ehesten noch Wendy Holdener, wenn sie im Riesenslalom vorn mitfährt.“ Sein eindringlicher Nachsatz: „Und Shiffrin eine Krise hat.“ (fin)


Sölden, Programm: Sa Damen-RTL (10/13 Uhr, ORF eins). So Herren-RTL (9.25/13 Uhr, ORF eins).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2018)

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