Ski alpin: Startschuss für die große Aufholjagd

Matthias Mayer ist als amtierender Super-G-Olympiasieger das Aushängeschild des ÖSV-Speedteams.
Matthias Mayer ist als amtierender Super-G-Olympiasieger das Aushängeschild des ÖSV-Speedteams.GEPA pictures
  • Drucken

Sechs Jahre ist es her, dass Österreich den besten Abfahrer der Welt stellte. Diese Durststrecke gilt es zu beenden, doch vor dem Speedauftakt in Nordamerika ist vor allem Geduld gefragt.

Wien/Lake Louise. Hinten, in den schattigen Nordflanken des Mount Whitehorn zeigen die kanadischen Rocky Mountains ihr wahres Gesicht. Steiles, felsdurchsetztes Gelände, alte Sessellifte und ein noch älterer Schlepplift erschließen ein Paradies für geübte Geländeskifahrer. Vorne aber, auf der flacheren Südseite mit ihren breiten Pisten, der Gondelbahn und dem Blick auf den Gletschersee samt Luxushotel am Ufer, hat sich der Weltcuptross niedergelassen. Der Speedauftakt steht auf dem Programm, Abfahrt am Samstag, Super-G am Sonntag. Am Mittwoch schon steigt das erste Abfahrtstraining.

Lake Louise garantiert einen verhältnismäßig ruhigen Start in den Abfahrtswinter. Obwohl Zuschauer nichts bezahlen müssen, verirren sich nur wenige Fans in das 1000-Einwohner-Nest am Trans Canada Highway, zwei Autostunden westlich von Calgary. Auch das Medieninteresse hält sich in Grenzen, die Abfahrt selbst hat mit den gefährlichen Klassikern in den Alpen wenig gemein.

Doch der Ruf von Lake Louise als Damenpiste täuscht. Im Vorjahr kam hier der 17-jährige deutsche Max Burkhart bei einer Nor-Am-Cup-Abfahrt ums Leben – nur wenige Wochen, nachdem der französische Weltcupabfahrer David Poisson beim Training im gut 100 Kilometer entfernten Nakiska tödlich verunglückt war.

Mayer-Kriechmayr, das Topduo

Die ÖSV-Speedtruppe ist am Montag in Lake Louise eingetroffen. Die rot-weiß-rote Ausbeute im Banff Nationpark ist ausbaufähig. Seit die Herren hier ab 1999 wieder Rennen absolvieren, stand zwar jedes Jahr zumindest ein Österreicher auf dem Stockerl, der bisher letzte Sieg aber gelang Michael Walchhofer 2010 in der Abfahrt. Mit vier zweiten Plätzen war zuletzt Matthias Mayer der erfolgreichste Österreicher in Lake Louise. Der 28-jährige Kärntner ist als amtierender Super-G-Olympiasieger auch das Aushängeschild des ÖSV-Speedteams, der derzeit konstanteste Läufer ist aber der Oberösterreicher Vincent Kriechmayr.

Mit einem Ex-aequo-Sieg am WM-Schauplatz Aare beendeten Mayer und Kriechmayr den vergangenen Abfahrtswinter, Kriechmayr gewann beim Saisonfinale auch den Super-G. In seiner Paradedisziplin war der 27-Jährige Gesamtzweiter. Zwar fehlten 80 Punkte auf den Norweger Kjetil Jansrud, doch mit Hannes Reichelt (4.), Max Franz (5.) und Mayer (8.) beendeten insgesamt vier ÖSV-Läufer den Super-G-Weltcup in den Top Acht. Während in der zweitschnellsten Disziplin nur die Norweger mithalten konnten, fahren die Österreicher in der Abfahrt hinterher. Kriechmayr war hier in der Vorsaison als Gesamtfünfter der beste ÖSV-Athlet.

Um in der Königsdisziplin an alte Glanzzeiten anzuschließen – Franz Klammer (25 Siege, fünf Abfahrtskugeln) ist immer noch der erfolgreichste Abfahrer der Weltcupgeschichte –, wurde Sepp Brunner aus der Schweiz zurückgeholt. Der 59-jährige Chefcoach soll die heimische Kugel-Durststrecke beenden. Die bisher letzten Speed-Wertungen haben Klaus Kröll (2012, Abfahrt) und Reichelt (2008, Super-G) gewonnen. „Natürlich ist unser Ziel, eine Speed-Kugel zu holen“, erklärte Brunner.

Doch der Steirer rät zu Geduld. Franz, 29, hat gerade erst die Skimarke gewechselt und musste wegen Knorpelproblemen im Knie Abstriche machen. Routinier Reichelt, 38, konnte im Sommer wegen eines Zehenbruchs nur eingeschränkt trainieren. Christian Walder, 27, nähert sich in der Abfahrt seinem ersten Top-Ten-Ergebnis, auch Johannes Kröll, 27, kommt dieser Marke wieder näher. Dahinter lauern Christoph Krenn, 24, oder Daniel Danklmaier, 25.

Trainiert hat die ÖSV-Truppe zuletzt in Copper Mountain, Colorado. Dort gab es mitunter ungewohnte Ergebnisse, nicht immer waren die Favoriten auch die Schnellsten, berichtete Cheftrainer Brunner. Lake Louise wird nun die erste Standortbestimmung. Denn Damenpiste hin oder her – ein Blick in die Siegerlisten der vergangenen Jahre zeigt, dass auch hier nur die Allerbesten gewinnen: Beat Feuz, Aksel Lund Svindal, Kjetil Jansrud, Dominik Paris.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.