Teambewerb: Skirennen aus der Überraschungsbox

Marcel Hirscher geriet beim Teambewerb in St. Moritz ins Hintertreffen. „Da könnte man sicherlich schneller fahren.“
Marcel Hirscher geriet beim Teambewerb in St. Moritz ins Hintertreffen. „Da könnte man sicherlich schneller fahren.“(c) GEPA pictures / Andreas Pranter
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Frankreich triumphiert, die große Skination Österreich landet nur auf Platz fünf. Die Bilanz von Teamleader Marcel Hirscher: zwei Läufe, zwei Niederlagen. Der Salzburger sinniert nun über die richtige Technik und Karibikinseln.

St. Moritz/Wien. Dries Van den Broecke ist 21 Jahre alt, ein skifahrender Belgier mit insgesamt fünf Weltcuprennen in den Beinen, die für ihn allesamt schon vor dem Ziel endeten. Auch im Europacup ist er chancenlos, er fährt FIS-Rennen. Am Vortag des WM-Teambewerbs in St. Moritz hatte Van den Broecke erfahren, dass er mit seinen belgischen Teamkollegen qualifiziert ist, 24 Stunden später lieferte die Nummer 311 der Slalompunkteliste die Sensation des Tages ab und besiegte den fünffachen Gesamtweltcupsieger Marcel Hirscher. Draufgegangen sei er, gepusht habe er, am Ende nahm er Hirscher auf den gut 20 Fahrsekunden des Parallelbewerbs 14 Hundertstel ab. „Meine Zeit war nicht so schlecht, aber der Belgier ist einfach saugut Ski gefahren“, meinte Hirscher.

Manuel Feller, Stephanie Brunner und Katharina Truppe sprangen in die Bresche, Österreich nahm die Hürde Belgien 3:1, im Viertelfinale gegen Schweden (1:4) war allerdings Endstation. Die Skination Nummer eins landete auf Platz fünf. Dabei war die ÖSV-Truppe als Titelverteidiger ins Rennen gegangen, hatte die beiden vergangenen Ausgaben gewonnen. Im sechsten WM-Teambewerb blieb Österreich nun erstmals ohne Edelmetall. „Wir haben trainiert, waren vorbereitet, nur die Schweden waren etwas schneller“, versuchte Chefcoach Andreas Puelacher zu erklären.

„Gleich eine aufs Maul“

Vor allem Marcel Hirscher gibt Rätsel auf. Denn während sich Alexis Pinturault nach einer überraschenden Auftaktniederlage gegen den Russen Pawel Trichischew wieder fing und Frankreich vor der Slowakei und Schweden zu Gold führte, verlor Hirscher auch sein zweites Duell. Dieses Mal gegen André Myhrer, wieder ohne nennenswerten Fehler. „Man geht davon aus, dass der Marcel den Lauf gewinnt“, erklärte Teamkollege Feller die Erwartungshaltung an den Teamleader, aber auch der Tiroler musste sich eingestehen: „Marcel und ich haben es nicht wirklich auf den Punkt gebracht.“

Immerhin war Hirscher zuvor bei allen seinen sieben Einsätzen in einem WM-Teambewerb siegreich geblieben. Doch Parallelrennen sind in diesem WM-Winter seine Sache nicht, schon in Alta Badia verlor er in Runde eins (gegen Steve Missillier), auch in Stockholm war bereits nach dem ersten Duell wieder Schluss (gegen Speedspezialist Aleksander Aamodt Kilde).

Dass er in St. Moritz wenige Tage zuvor noch krank im Bett gelegen war, wollte Hirscher nicht als Ausrede bemühen. „Es wird immer schwieriger, sich bei diesem Bewerb durchzusetzen. Die Kurssetzung ist sehr speziell, die Flaggen haben hier besonders gut gehalten“, meinte er mit Blick auf die für Parallelrennen mittlerweile eigens benötigte Technik. „Das mit der neuen Kipptechnik wird sich durchsetzen. Ich habe es auch probiert, aber gleich eine aufs Maul bekommen. Einer wie Myhrer spürt das wahrscheinlich nicht einmal“, sagte Hirscher (1,73 Meter) über seinen groß gewachsenen schwedischen Gegner, der mit Mattias Hargin die „Doppelfaust-Methode“ salonfähig gemacht hat. Offenbar ein Erfolgsrezept bei der Hundertsteljagd auf Slalomskiern durch die Riesentorlauftore.

Der sportliche Wert des Teambewerbs bleibt fraglich, mit Österreich, Italien (beide 5.) und der Schweiz (4.) gingen die drei höchsteingestuften Länder leer aus, mit Frankreich (Tessa Worley, Adeline Baud-Mugnier, Pinturault und Mathieu Faivre) setzte sich die als Nummer vier gesetzte Nation durch. „Eine Teamleistung. Wenn einer schlecht gefahren ist, hat ihn ein anderer rausgerissen“, jubelte Pinturault über die erste französische Medaille in St. Moritz.

Belgier im Riesentorlauf?

Für Hirscher hat sein glückloser Teameinsatz keinen Einfluss auf das Selbstvertrauen. „Das darf keine Rolle spielen. Der Teambewerb ist ein bisserl so eine Überraschungsbox. Nicht einmal, wenn man aus Aruba kommt, heißt das etwas.“ Seine Konzentration gilt nun ganz dem Riesentorlauf am Freitag. Auch sein belgischer Auftaktgegner Dries Van den Broecke hat im Riesentorlauf einiges vor – so er denn wieder am Start steht. „Mein großes Ziel ist es, zuerst die Qualifikation zu schaffen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.02.2017)

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