Aksel Lund Svindal, der Gentleman unter den Wikingern

Eine Abfahrt noch, dann kann der Norweger Aksel Lund Svindal endgültig seine Füße hochlegen. Ein Großer des Skisports tritt bei der WM in Åre ab.
Eine Abfahrt noch, dann kann der Norweger Aksel Lund Svindal endgültig seine Füße hochlegen. Ein Großer des Skisports tritt bei der WM in Åre ab.APA/EXPA/JOHANN GRODER
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Die WM-Abfahrt ist für Aksel Lund Svindal das letzte Rennen seiner Karriere. Fair, sympathisch, ehrlich – so wird der Norweger, 36, in Erinnerung bleiben. 16 Jahre lang hat er mit Siegen begeistert und nach Verletzungen beeindruckt.

Im Lauf jeder Ski-WM gibt es zig Termine. Dichtes Gedränge in der Mixed-Zone nach den Rennen, stressige, zuweilen gar dramatische Pressekonferenzen. Und dann gibt es Auftritte, die einem in Erinnerung bleiben werden. Das Abschiedsgespräch mit Aksel Lund Svindal war ein solcher. Dabei bewies der Norweger, 36, einmal mehr, warum er als der Gentleman des Skisports bezeichnet wird.

Der Andrang in der mondänen Copperhill Mountain Lodge, idyllisch in den Hügeln über Åre gelegen, war groß, und doch kehrte niemals Hektik ein. Der Mann der Stunde beantworte Frage um Frage und verlor dabei nie die Freude in den Augen. Zwischendurch hallte schallendes Gelächter durch den Raum, denn im Team Norwegen brüllt man launige Kommentare gern auch einmal über Reihen hinweg – leider nur auf Norwegisch.

Er hat sich nie verstellt

Nach 16 Jahren im Weltcup wird Svindal nach der WM-Abfahrt am Samstag (12.30 Uhr, ORF eins, live) die Rennskier für immer abschnallen. Dass er seinen Rücktritt schon in Kitzbühel angekündigt hat, sei wohlüberlegt gewesen. „So kann man die letzten Gespräche bewusst nutzen“, erklärte der Wahl-Innsbrucker und meinte damit nicht nur Medien, sondern auch den Zeugwart. Freundschaft und gegenseitige Wertschätzung im Skizirkus war für ihn „die beste Lebensschule“. Er habe sich nie verstellt, sei immer er selbst gewesen. „Das ist einfacher, als jeden Tag den perfekten Schein wahren zu müssen.“

Nie hätte sich Svindal eine Karriere mit 386 Weltcuprennen, 36 Siegen (norwegischer Rekord), elf Kristallkugeln, zweimal Olympia-Gold und derzeit fünf WM-Titeln erträumt, aber große Gedankenspiele sind ohnehin nicht seines. „Ich bin kein Träumer, ich bin ein Realist“, lautete einmal seine Selbstbeschreibung – vielleicht geprägt vom Tod der Mutter, als er acht Jahre alt war. Über seine Eltern, beide Skilehrer, hat Svindal den Sport für sich entdeckt und fortan die Winterferien bei den Großeltern auf der Piste verbracht. Mit 15 übersiedelte er ins Sportgymnasium Oppdal, wo er seinen heutigen Teamkollegen Kjetil Jansrud kennenlernte. Inzwischen sind sie die allerbesten Freunde.

Schmerzen einer Karriere

Neben seiner Aufrichtigkeit zeichnet den Modellathleten (1,89 m, 98 kg) sein unbändiger Wille aus, wie der Blick in seine umfassende Krankenakte beweist: 2007 Jochbein- und Nasenbeinbruch sowie derart tiefe Schnittwunden am Gesäß, dass vorübergehend ein künstlicher Darmausgang gelegt werden musste. 2014 Achillessehnenriss, 2016 Kreuzband- und Meniskusriss, dessen Langzeitfolgen er bis heute spürt. Doch ob mit Spezialskischuh oder angetaptem Stock – Svindal kam stets zurück. Wenn er eine Chance sieht, will er sie auch nutzen.

Zu seinen Entscheidungen steht Svindal, er bereut nichts. „Natürlich würde ich einige Dinge besser machen, wenn ich eine zweite Chance bekäme.“ Auf den schnellsten Pisten dieser Welt hinunterzurasen, wird er nicht vermissen. „Ich suche nicht unbedingt das Risiko, ich mag es lieber kalkuliert“, überraschte der Abfahrtsolympiasieger von Pyeongchang.

Das letzte Rennen will Svindal bewusst nicht als Show, sondern als Wettkampf erleben. Ob im Ziel Tränen zu erwarten sind? „Wenn sie kommen, ist es ein starkes Gefühl. Denn oft fließen sie nicht.“ Ehrgeiz und Tüchtigkeit legt Svindal auch in der Geschäftswelt an den Tag, hat mit Investitionen in Tech-Start-ups, Immobilien und eine Modelinie vorgesorgt. Eine Rückkehr in den Skisport in anderer Funktion ist vorerst nicht geplant, der Weltcupzirkus verliert somit einen seiner ganz Großen.

16 Jahre Svindal, sechs Fragen

Word-Rap. Seine Karriere im finalen Schnelldurchlauf.

Was war Ihr größter Sieg?

Ich erinnere mich sehr gern an die zwei Olympia-Wochen in Vancouver.

Die schmerzhafteste Niederlage?

Davon gab es viele.

Wie viele Ski haben Sie in Ihrer Karriere verbraucht?

Viel zu viele. Mit Training und Rennen mindestens 30 pro Saison, mal 16, also rund 500.

Welche ist Ihre Lieblingspiste im Weltcup?

Beaver Creek.

Was würden Sie schätzen, wie viele Rennkilometer Sie absolviert haben?

Ich habe keine Ahnung.

Werden Sie Ihr hautenges Arbeitsoutfit vermissen?

Es wird schön, Ski zu fahren ohne engen Anzug.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2019)

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