Silberner Auftakt für die goldene Hoffnung

FIS Alpine World Championships 2019 Men s Giant Slalom Marcel Hirscher AUT mit Silbermedaille Are
FIS Alpine World Championships 2019 Men s Giant Slalom Marcel Hirscher AUT mit Silbermedaille Areimago/Sammy Minkoff
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Marcel Hirscher wurde Zweiter hinter Henrik Kristoffersen, im ÖSV werden Erinnerungen an die WM 2013 in Schladming wach.

Marcel Hirscher trägt Österreichs Hoffnungen auf Gold bei den Ski-Weltmeisterschaften in Åre, zum Auftakt im Riesentorlauf wurde es Silber hinter Henrik Kristoffersen. Der Norweger tauschte mit dem zur Halbzeit führenden Alexis Pinturault die Plätze und bejubelte seine allererste WM-Medaille

Hinter Hirscher präsentierte sich das ÖSV-Team stark: Marco Schwarz machte mit Laufbestzeit im zweiten Durchgang elf Plätze gut und verbuchte als Fünfter ebenso das beste RTL-Ergebnis seiner Karriere wie Stefan Brennsteiner als Neunter. Manuel Feller wurde 15., Roland Leitinger, Vizeweltmeister von 2017, fädelte im zweiten Lauf ein.

Kraftakt auf ungeliebtem Salz

„Gratulation an Henrik, er ist großartig gefahren und ein verdienter Weltmeister“, sagte Hirscher und wollte mit Silber nicht hadern. „In Anbetracht der Umstände der letzten Tage ist es ein cooles Ergebnis.“ Der Salzburger hat seit seiner Anreise nach Åre am Mittwoch mit einem grippalen Infekt zu kämpfen und sich geschont, wollte das aber nicht als Ausrede verstanden wissen und bedankte sich bei seinem Team. „Gestern war ein Tag, an dem man sich im normalen Leben überlegen würde, den Chef anzurufen und in Krankenstand zu gehen. Aber heute am Start war ich körperlich zu 100 Prozent fit.“ Schon bei der WM 2017 hatte Hirscher das Bett hüten müssen, damals jedoch noch zweimal Technik-Gold geholt.

Mit 15 Siegen in den letzten 18 RTL-Bewerben, darunter jener bei der WM 2017 und Olympia 2018, hat Hirscher die Erwartungen konstant hoch gehalten, die Rolle als Österreichs Hoffnungsträger begleitet ihn ohnehin durch seine Karriere. „Man erwartet von mir, dass ich den beiden Rennen zumindest einmal oben stehe“, erklärte der 29-Jährige. „Ich versuche das mit dem Liefern, aber immer kann ich nicht einspringen.“ Die zwei Zehntel Rückstand auf Kristoffersen waren schnell ausgemacht („Der eine Ruckler oben war zu viel“), der zehnfache Saisonsieger wollte jedoch bewusst das Positive betonen. „Silber ist sehr viel wert und eine weitere Medaille in meinem Koffer.“

Mehr als Hirschers mittlerweile zehn Stück WM-Edelmetall haben nur Lasse Kjus (11), Marc Girardelli (11) und Kjetil André Aamodt (12) vorzuweisen. Im Slalom am Sonntag hat der Salzburger zudem seine nächste Chance auf den siebenten WM-Titel, mit dem er Toni Sailer im ewigen Medaillenspiegel als erfolgreichster Skirennläufer überholen würde. Für diesen sieht der ÖSV-Superstar ob der warmen Bedingungen jedoch ebenfalls Kristoffersen als Favoriten. Er selbst mag es bekanntlich härter und eisiger. „Ich habe zwei Wünsche: Dass ich gesund bleibe und es ein bisschen kälter wird.“

Sollte den ÖSV-Slalomdamen heute nicht eine Sensation gelingen, werden bei Hirscher und im ÖSV mit Sicherheit Erinnerungen an die Heim-WM in Schladming 2013 wach. Auch damals musste der Salzburger im Riesentorlauf mit Rang zwei hinter Ted Ligety Vorlieb nehmen und stand im abschließenden Slalom unter dem gewaltigen Druck, die ÖSV-Bilanz im Alleingang retten zu müssen – er hielt bekanntlich stand. Denn ohne Goldmedaille blieb Österreich in der Geschichte von Ski-Weltmeisterschaften erst fünfmal, zuletzt 1987 in Crans Montana.

Premiere für Kristoffersen

Henrik Kristoffersen stand nach zwei vierten Plätzen bei der WM 2017 sowie Slalom-Bronze 2014 bzw. RTL-Silber 2018 bei Olympia erstmals bei einem Großereignis ganz oben auf das Podest. „Zeit war es“, lautete im zweiten Versuch die jugendfreie Version seiner ersten Gedanken. Dass es ausgerechnet im Riesentorlauf passierte, war so nicht ganz zu erwarten, liegt sein letzter Weltcupsieg in dieser Disziplin doch fast vier Jahre zurück – bei ähnlich frühlingshaften Bedingungen in Méribel. „Wir Norweger kennen gesalzenen Schnee bestens, aber die besten Läufer sind die besten unabhängig von den Bedingungen.“

Bereits 2014 hatte Kristoffersen den ersten Weltcupsieg gefeiert, sich in der Folge in Technikbewerben und Gesamtweltcup ein enges Duell mit Hirscher geliefert. Nach dem im Sommer aufgeflammten Sponsorstreit mit dem Verband aber lief es heuer nicht nach Wunsch: Sechs Podestplätze, dreimal hinter Hirscher, werden dem Potenzial des 16-fachen Weltcupsiegers nicht gerecht. Nun aber ist die Wachablöse im norwegischen Team offiziell vollzogen: Wie vor zwölf Jahren Aksel Lund Svindal bestieg Kristoffersen bei einer WM in Åre im Riesentorlauf den Thron.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2019)

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