Canon EOS R: Aller Anfang ist schwer

Mit dem Adapter funktioniert der Autofokus mit der R (unten) auch bei EF-Objektiven mit langen Brennweiten gut.
Mit dem Adapter funktioniert der Autofokus mit der R (unten) auch bei EF-Objektiven mit langen Brennweiten gut.(c) Rief
  • Drucken

Mit seiner ersten spiegellosen Systemkamera versucht Canon, dem Platzhirschen Sony Konkurrenz zu machen. Das glückt in unserem Test nicht.

Es sind oft die Großen, die neue Entwicklungen verschlafen. Legendär etwa IBM-Chef Thomas Watson, der meinte, es gebe einen weltweiten Bedarf von vielleicht fünf Computern. Oder Microsoft-Gründer Bill Gates, der dem Internet in den 1990er-Jahren keine Zukunft gab.

Canon, der dominierende Kamerahersteller, ist also mit seiner Unterschätzung von spiegellosen Vollformat-Systemkameras in recht guter Gesellschaft. Als die ersten Geräte von Sony 2013 auf den Markt kamen, hatte man nur mitleidiges Lächeln für die Konkurrenz über. Doch nach und nach verbesserte Sony seine Alpha-Serie, knabberte mit ihr massiv an den Marktanteilen der Spiegelreflexkameras und dominiert jetzt die Nische der Spiegellosen.

Es dauerte bis zur Photokina Ende vergangenen Jahres, bis Canon darauf eine Antwort fand. Nicht die beste, um gleich das Fazit unseres Tests vorwegzunehmen. Die spiegellosen EOS R macht mehr den Eindruck eines Schnellschusses, damit man eben etwas im Portfolio hat, weil auch Nikon mit zwei spiegellosen Kameras zur Photokina anreiste.


Guter Sucher. Beginnen wir bei der Bedienung der Kamera, bei der Canon immer führend war. Beispielsweise mit dem kleinen Joystick auf der Rückseite, der unter anderem einen schnellen Wechsel des Autofokusfeldes ermöglicht. Sony hat dieses sinnvolle Feature für seine dritte Kamerageneration kopiert. Und was macht Canon bei der R? Es lässt den Joystick weg!

Stattdessen gibt es eine kleine Touchfläche rechts neben dem Sucher, mit der man links und rechts wischend verschiedene Einstellungen verändern kann. Wirklich gut hat das in unserem Test nie funktioniert. Es gibt auch keine eigenen Knöpfe für die Autofokuswahl, für ISO oder für die Bildgeschwindigkeit. Alles, was EOS-Kameras mit Spiegel so leicht und einfach zu bedienen macht, fehlt bei der spiegellosen R.

Auch bei den Features ist man von Canon Besseres gewohnt – gerade wenn man die nicht allzu heftigen Dementis auf die Feststellung hört, dass die R eigentlich eine neu verpackte Canon 5D IV mit einem 30,3 Megapixel Vollformatsensor sei. Nehmen wir die Bildfrequenz: Laut Prospekt schafft die spiegellose R acht Bilder pro Sekunde. Das erinnert allerdings an die Verbrauchsangaben von Pkw. Die acht Bilder schafft man nur ohne Autofokus. Mit aktiviertem AF sind es fünf Bilder – allerdings sieht man dann im Sucher die eben gemachten Aufnahmen nacheinander eingeblendet. Man hat also kein kontinuierliches Bild. In der Praxis sind es mit Autofokus und Live-Ansicht drei Bilder pro Sekunde.

Apropos Sucher: Da zeigt der Hersteller, was er kann. Der elektronische Sucher liefert ein scharfes, farbneutrales Bild, das auch bei schnellen Bewegungen keine Schlieren zieht. Auch der Sensor liefert ausgezeichnete Bilder mit einem guten Dynamikumfang und geringem Rauschen.

Der Autofokus arbeitet bei den original RF-Objektiven (von denen es aktuell vier gibt) schnell und präzise, ebenso bei den EF-Objektiven, die man mit dem mitgelieferten Adapter an die R anschließen kann. Der von Sony kopierte Augenautofokus ist ein nettes Feature, auch wenn es nicht ganz so gut funktioniert wie beim Original.

Canon zeigt mit der R, dass es spiegellose Kameras kann. Die R kostet aktuell 2519 Euro (inklusive EF-Adapter). Sonys a7 III ist billiger (2299 Euro) und bei allen Features der R überlegen.

Aber es ist ein Anfang – und man kann darauf wetten, dass von Canon bald Besseres nachkommt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.