Das P30 Pro und die Hybris Huaweis

Das P30 Pro von Huawei besticht erneut durch seine Kameraqualitäten.
Das P30 Pro von Huawei besticht erneut durch seine Kameraqualitäten.REUTERS
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Huawei will die Nummer eins werden. Da ist es den Chinesen egal, wenn sie bei der Präsentation des 30 Pro Samsung und Apple diskreditieren.

Am Dienstagnachmittag präsentierte der chinesische Hersteller Huawei in Paris zwei neue Smartphones, eine Uhr und einige Accessoires. Darunter auch eine Sonnenbrille, bei der bis zum Schluss nicht klar war, was die jetzt genau mit Huawei zu tun haben soll. Auch nach der Präsentation war die Brille von Gentle Monster noch immer ein Mysterium. Aber der Reihe nach.

Pressekonferenzen haben seit Steve Jobs längst kein angestaubtes Image mehr. Darum heißt es auch kaum mehr Präsentation, sondern Event oder Show. In Videos mit epischer Musik versucht man Emotionen zu wecken. Für ein Smartphone, für das man knapp 1000 Euro auf den Tisch legen soll. Marketing im 21. Jahrhundert basiert auf Gefühlen und weniger auf dem tatsächlichen Innenleben eines Geräts.

Kamera, Kamera, Kamera. Wenn etwas an diesem Dienstag im Vordergrund stand, dann die Kamera. Das 6,4 Zoll große P30 Pro beherbergt die stärksten und neuesten Komponenten der Smartphone-Industrie. Gut, ein 5G-Modul gibt es nicht, aber aufgrund eines mangelnden Netzes verständlich. Und auch der Klinkensteckeranschluss hat ausgedient, aber das lässt sich mit Bluetoothkopfhörern oder mit USB-C-Adapter ausgleichen.

Ansonsten lesen sich die Spezifikationen des Huawei-Smartphones annähernd wie die eines Topgeräts vom Mitbewerb. Das scheint auch Huawei so gesehen zu haben und statt sich mit langweiligen Details wie Akku (4200 mAh) und Prozessor (Kirin 980 wie auch im Mate 20 Pro) aufzuhalten, liegt der Fokus auf den Kameras.

Vier Kameras will Huawei auf der Rückseite verbaut haben, wobei die Werbeschlagzeile nicht hält, was sie verspricht. Es sind wie auch beim Galaxy S10+ drei Kameras. Die Hauptkamera löst mit 40 Megapixel auf und verfügt über einen optischen Bildstabilisator, die zweite, die Weitwinkelkamera löst mit 20 Megapixel auf und die dritte im Bunde sorgt für ordentlich Zoom. Die angebliche vierte Kamera, der „Time-of-Flight“-Tiefensensor sorgt für einen besseren Bokeh-Effekt, schießt aber keine Fotos.

Selbst dem Laien gelingen hier ohne Feineinstellungen tolle Bilder, die auch bei zehnfachem Zoom noch detailgetreu und lichtstark sind. Der 50-fache digitale Zoom holt Motive aus weiter Entfernung ganz nah heran. Beeindruckend scharf, gemessen an den Distanzen.

Bereits beim Vorgänger, dem P20 hat sich Huawei von der Konkurrenz abgehoben. Die Kameraqualität besticht und hätte den chinesischen Hersteller selbstbewusst in die P30-Präsentation gehen lassen können. Statt aber wie jedes Jahr nur mit aufgemotzten Beispiel- und Vergleichsbildern zu glänzen, gingen die Chinesen brutal in die Offensive.


Seitenhiebe sind normal, aber . . . Jeder Hersteller kann es sich nicht verkneifen, sich mindestens einmal über die Konkurrenz zu erheben. Man will sich als der Beste präsentieren, mit allen Mitteln. Aber normalerweise bleibt es bei einem Seitenhieb. Huawei übertrat diese unausgesprochene Grenze und verglich das P30 Pro live auf der Bühne mit dem Galaxy S10+ und dem iPhone Xs. Der Überraschungseffekt blieb aus und ließ die anwesenden Journalisten erstaunt, aber nicht begeistert zurück.

„Die Presse am Sonntag“ nutzte im Interview mit Richard Yu die Chance und sprach den Huawei-Chef darauf an: „Viele wissen nicht, dass wir die Besten sind. Und Kunden müssen das wissen. Also müssen wir es ihnen zeigen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2019)

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