Post-Privacy: Sind viele Daten automatisch auch gute Daten?

Im Bild v. l. n. r. Sascha Jung (Jank Weiler Operenyi Rechtsanwälte | Deloitte Legal), Christoph Truppe (Mindshare Austria), Peter Gönitzer (Wien Energie), Marlene Auer (Manstein Zeitschriftenverlag), Sarah Spiekermann (Wirtschaftsuniversität Wien) und Peter Purgathofer (TU Wien)
Im Bild v. l. n. r. Sascha Jung (Jank Weiler Operenyi Rechtsanwälte | Deloitte Legal), Christoph Truppe (Mindshare Austria), Peter Gönitzer (Wien Energie), Marlene Auer (Manstein Zeitschriftenverlag), Sarah Spiekermann (Wirtschaftsuniversität Wien) und Peter Purgathofer (TU Wien)(c) APA/APA-Fotoservice/Schedl
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Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ist seit heute in Kraft. Nach allen Unsicherheiten und Mühen der vergangenen Wochen sehen Expertinnen und Experten damit einen Standard erreicht, der neue Chancen und Wettbewerbsvorteile bieten könnte. Denn Daten, die mit Einwilligung der Nutzer eingeholt werden, sind hochwertiger – und damit für das Online-Marketing sehr interessant.

Bei einer Podiumsdiskussion der Plattform „Digital Business Trends“ (DBT) von APA - Austria Presse Agentur und styria digital one zum Thema Post-Privacy am 24. Mai in Wien gingen die Meinungen durchaus auseinander. So sieht Sarah Spiekermann von der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien einen Wendepunkt bei der Digitalisierung erreicht. „Was wir uns davon versprochen haben, nämlich dass die Entwicklung zu unserem Wohlbefinden beiträgt, kippt jetzt ins Negative“, so Spiekermann.

Sie ortet eine „Big Data-Illusion“: Was für den Menschen tägliche Realität sei – Werte, Stimmungen, Eindrücke – könnten Maschinen nie erfassen oder vermessen. „Das ist unsichtbar, weil sie nur über Secondhand-Daten verfügen“, spielte Spiekermann auf Facebook und Co. an. Das Problem sei, dass mit diesen Daten ein Bild entstehe, das relativ wenig mit uns zu tun habe. „Dennoch gibt es wegen dieser Illusion Datenmärkte gigantischen Ausmaßes. 30.000 Profildaten pro Person sind keine Seltenheit“, konstatierte die Expertin. Sie sieht daher in der DSGVO einen „Meilenstein“.

Zustimmung erhöht Datenqualität
Die DSGVO bringe aber auch für das Online-Marketing Chancen mit sich, glaubt Christoph Truppe von der Mediaagentur Mindshare. Denn Daten würden noch wichtiger – vor allem qualitativ hochwertige, mit Einwilligung der Nutzer eingeholte Daten, die einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil ausmachen könnten.

Im Bild v.l.n.r.: Christoph Truppe (Mindshare Austria), Sascha Jung (Jank Weiler Operenyi Rechtsanwälte | Deloitte Legal), Sarah Spiekermann (Wirtschaftsuniversität Wien), Peter Purgathofer (TU Wien), Thomas Stern (Braintrust, Moderation), Peter Gönitzer (Wien Energie), Marlene Auer (Manstein Zeitschriftenverlag)
Im Bild v.l.n.r.: Christoph Truppe (Mindshare Austria), Sascha Jung (Jank Weiler Operenyi Rechtsanwälte | Deloitte Legal), Sarah Spiekermann (Wirtschaftsuniversität Wien), Peter Purgathofer (TU Wien), Thomas Stern (Braintrust, Moderation), Peter Gönitzer (Wien Energie), Marlene Auer (Manstein Zeitschriftenverlag)(c) APA/APA-Fotoservice/Schedl

Ziel müsse sein, Struktur in das Datenchaos zu bringen. Dann könnte kontextuelle Werbung, platziert in einem hochwertigen Umfeld, programmatisch eingebucht und ausgespielt, ein Comeback erleben. „Ich denke, dass es in Zukunft einen Mix aus personenbezogener Werbung auf Basis einer Einwilligung und nichtpersonenbezogener Werbung, zum Beispiel kontextuell, geben wird“, so der Experte, der auch dafür plädierte, datenschutzfreundliche Technologien zu fördern.

Inhaltsangebote brauchen eine Finanzierung, stellte Marlene Auer, Herausgeberin und Chefredakteurin der Medien „Horizont", „Bestseller" und „update“, klar. Und da es bei der Akzeptanz von Paid Content noch Nachholbedarf gebe, führe kein Weg an werbefinanzierten Angeboten vorbei. Deshalb sei es notwendig, einen Weg zu finden, mit dem Konsumentenschützer und Medienanbieter gleichermaßen leben könnten.

E-Privacy-Verordnung birgt Gefahren
Sie verwies darauf, dass datengetriebene Angebote durchaus bequem und nützlich seien – man denke an Netflix oder Spotify. Daher sollte an den Rahmenbedingungen geschraubt werden, um auch in Europa Unternehmen aufbauen zu können, die hier dagegenhalten, „sonst werden wir von allen Seiten in die Mangel genommen“. Bei der E-Privacy-Verordnung sieht sie noch Änderungsbedarf. „Tritt die aktuelle Fassung so in Kraft, wird das erhebliche Auswirkungen auf Medien und Marketing haben“, befürchtet Auer.

Durch die DSGVO und die damit einher gehenden Informationspflichten sei auch das Bewusstsein der Anwender gestiegen: „Man setzt sich jetzt stärker mit dem Datenschutz auseinander“, konstatierte Sascha Jung, Partner bei Jank Weiler Operenyi Rechtsanwälte, die Teil des weltweiten Rechtsanwaltsnetzwerks Deloitte Legal sind. Das könne auch zu einer besseren Datenqualität führen. Letztendlich sollten weder Unternehmen in ihren Tätigkeiten noch Konsumenten in ihren Nutzungsmöglichkeiten eingeschränkt werden. Im Fokus stehe vielmehr eine effektive und verständliche Aufklärung.

Weitere Datenprojekte in den Startlöchern
Für die Unternehmen sei der 25. Mai jedenfalls nicht der Stichtag, um die Hände in den Schoß zu legen: „Viele Betriebe geben sich Mühe. Sie müssen aber weiter aktiv bleiben, denn es scharren bereits weitere Datenprojekte in den Startlöchern der EU“, verwies der Experte unter anderm auf den Verordnungsentwurf zur E-Privacy, welche die DSGVO ergänzt und spezielle Datenschutzregeln für die elektronische Kommunikation schafft. Auch hier würden weitere Aufgaben auf die Unternehmen zukommen.

Was auf die Energiebranche zukommt, ist die Energiewende. Und die wäre ohne Daten und Digitalisierung gar nicht möglich, erklärte Peter Gönitzer, Geschäftsführer der Wien Energie GmbH. Viele kleine dezentrale Einheiten, wie Photovoltaik-Anlagen oder Ladestationen, müssten miteinander kommunizieren, um zu einer erneuerbaren Energieerzeugung zu kommen. Hier trete der Nutzen der Digitalisierung für den Menschen klar zutage.

US-Riesen nicht das Feld überlassen
Bestimmte Entwicklungen sollte man vielmehr als Chance begreifen und nicht verdammen. „Ich sehe kommen, dass Amazon und Co. nicht nur Kühlschränke verkaufen, sondern auch den Strom dazu. Dem müssen wir wertvolle Dienste entgegenstellen.“ Die DSGVO sieht Gönitzer durchaus positiv: Das schaffe mehr Bewusstsein für Datenschutz. Und wer, wie Wien Energie, einen Datenschatz habe, schütze die Daten natürlich auch entsprechend.

Die DSGVO sei ein großer, wenn auch unzureichender Schritt in zumindest annähernd die richtige Richtung, zeigte sich Peter Purgathofer von der Technischen Universität (TU) Wien kritisch. Er fordert mehr Transparenz, denn es sei legitim, „zu wissen, an wen meine Daten verkauft werden, warum ich diese Werbung sehe, wer dafür bezahlt hat und warum dieses Suchergebnis für mich ganz oben steht“.

Über die Digital Business Trends

Die Veranstaltungsreihe Digital Business Trends (DBT) wird gemeinsam von APA – Austria Presse Agentur und styria digital one (sd one) organisiert und von Partnern (Unternehmen, Organisationen und Medien), die den digitalen Wandel aktiv mitgestalten wollen, getragen.​​​​​​

Im Rahmen von insgesamt zehn Veranstaltungen pro Jahr (Wien, Linz, Graz) trifft sich die digitale Community zum Meinungsaustausch und Networking im real life und spricht über Markenentwicklungen, Technologien und Innovationen. 

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